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Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Schweiz 1971 beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 der Schweiz als dem (nunmehrigen) Wohnsitzstaat der Klägerin zu.
…gebührt der Schweiz als dem Wohnsitzstaat,…
a) Art. 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
…nicht aber Deutschland als dem Quellenstaat…
Wie der Senat wiederholt entschieden hat (z. B. Urteile v. 24.2.1988, I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819, BeckRS 1988, 22008426;27. 8. 2008, I R 81/07, BFHE 222, 560, BStBl II 2009, 632, DStRE 2009, 353; v. 10. 7. 1996, I R 83/95, BFHE 181, 155, BStBl II 1997, 341, DStRE 1997, 26; Beschluss v. 12. 9. 2006, I B 27/06, BFH/NV 2007, 13, BeckRS 2006, 25010676, jeweils m. w. N.), folgt daraus, dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2002) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i. S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut („dafür“) indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dem prinzipiell angeschlossen (BMF v. 14.9.2006, BStBl I 2006, 532, BeckVerw 07802,4, dort Tz. 6.3).
…und zwar unbeschadet der entgegenstehenden deutsch-schweizerischen Verständigungsvereinbarung
b) An dieser Rechtsauffassung, an welcher der Senat festhält, ändert sich infolge der ursprünglich (vgl. BMF in BStBl I 1997, 560) durch das BMF in RIW 1993, 82 bekannt gegebenen Verständigungsvereinbarung der deutschen und eidgenössischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen nichts.
aa) Das BMF und die Eidgenössische Steuerverwaltung haben sich in jener Vereinbarung auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Löhnen, Gehältern oder Tantiemen aus dem früheren Arbeitsverhältnis handelt oder die Abfindung allgemein für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gewährt wird. In dem ersten Fall kann die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Schweiz 1971 nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass andernfalls aufgrund der unterschiedlichen Verwaltungspraxis in Deutschland und in der Schweiz über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand. Für den Streitfall ergeben sich daraus jedoch keine Konsequenzen.
Alleinige Maßgeblichkeit des Abkommenstextes
bb) Die Vereinbarung betrifft die Auslegung des zwischenstaatlichen vereinbarten Abkommenstextes. Sie wird als solche nach Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 ermöglicht und soll eine weitgehende Widerspruchsfreiheit bei der Abkommensanwendung sicherstellen. Die Frage nach der Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung ist indes umstritten.
Überwiegend (s. z. B. Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 25 Rz 154, Rz 166; Vogel, daselbst, Einl. Rz 109, 200 f.; Lüthi in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 25 Rz 94; Gosch in Lüdicke [Hrsg.], Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 2009, S. 130 ff., 134; Schmitz in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 25 OECD-MA Rz 64; Eilers in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 25 OECD-MA Rz 61; Frotscher, IStR, 3. Aufl., Rz 209 f.; Ismer, IStR 2009, 366; O. Schmidt in Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 Rz 51 ff.; Becker, daselbst, Art. 25 Rz 42; Kopf in Lang/Jirousek [Hrsg.], Praxis des Internationalen Steuerrechts, Festschrift Loukota, 2005, S. 253; s. auch Brandis in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 18 Schweiz Rz 21, jeweils m. w. N.) wird angenommen, dass zwischen der (völkerrechtlichen) Bindung gegenüber dem anderen Vertragsstaat, der Bindung innerstaatlicher Rechtsanwendungsorgane und der Selbstbindung der die Verständigungsvereinbarung abschließenden und der ihnen nachgeordneten Behörden zu unterscheiden ist. Innerstaatliche Wirkungen kann hiernach eine solche Vereinbarung für die rechtsanwendenden Organe, also vor allem die Rechtsprechung, nur nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Vorgaben des einzelnen Vertragsstaats entfalten. Das kann ihre unmittelbare Wirksamkeit zur Folge haben. Es kann aber auch, wie im Regelfall in Deutschland, voraussetzen, dass die Vereinbarung zunächst nach den Grundsätzen des einschlägigen Verfassungsrechts in einfaches Gesetzesrecht transformiert werden muss (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Andernfalls bleibt es bei der Letztverbindlichkeit des Abkommens in seiner in diesem Sinne in nationales Recht umgesetzten Fassung. Diese Fassung allein ist vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalts (Art. 20 Abs. 3 GG) für die Abkommensauslegung maßgeblich. Denn aus innerstaatlicher Sicht handelt es sich bei der nicht transformierten Verständigungsvereinbarung der beteiligten Finanzverwaltungen lediglich um ein Verwaltungsabkommen und damit der Rechtsnatur nach um eine Verwaltungsvorschrift, die nicht auf einer ihrerseits demokratisch legitimierten Rechtsverordnung i. S. von Art. 80 Abs. 1 GG beruht und die deswegen nicht geeignet ist, positives Recht in verbindlicher Weise zu verändern. In Einklang mit diesen Vorgaben hat der Senat bereits durch seine Urteile v. 1.2.1989, I R 74/86 (BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4, BeckRS 1989, 22008865) sowie v. 10.7.1996, I R 4/96 (BFHE 181, 158, BStBl II 1997, 15, DStR 1996, 1966) entschieden. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, davon abzurücken.
Änderungsgrundsätze nach der Wiener Übereinkunft über das Recht der Verträge ändern daran…
cc) Das schließt es nicht aus, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in der Verständigungsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen; es gilt der Grundsatz der Entscheidungsharmonie. In Einklang damit stehen die Grundsätze zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge v. 23.5.1969 – WÜRV – (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes v. 3.8.1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. 8. 1987 (BGBl II 1987, 757): Ein Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen „Zusammenhang“ sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen:
a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie
b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame „Übung“ der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z. B. Senatsurteile v. 25.10.2006, I R 81/04, BFHE 215, 237, DStRE 2007, 549, sowie I R 18/04, BFH/NV 2007, 875, BeckRS 2006, 25011149, beide zu leitenden Angestellten als sog. Grenzgänger i. S. von Art. 15 Abs. 4, Art. 15a DBA-Schweiz 1971), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderläuft (vgl. Senatsurteil v. 27.8.2008, I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97, DStRE 2008, 1509). Abgesehen davon, dass das Wiener Übereinkommen (nach Art. 4 WÜRV) nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist – und damit, ohne dass dem weiter nachzugehen wäre, nach Lage der Dinge nicht für das DBA-Schweiz 1971 -, erzwingen auch diese Grundsätze eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe des Abkommenswortlauts; dieser stellt in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar.
…wegen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts nichts
Daran scheitert die vom FA und vom BMF verfochtene Auslegung im Streitfall: Der Abkommenstext ist aus Sicht des erk. Senats aus den beschriebenen Gründen hinreichend eindeutig. Wenn eine Staatenpraxis dennoch wechselseitig von der bisherigen Abkommensauslegung abweicht, so wird dadurch nicht eine Auslegung, die insbesondere auf dem Abkommenswortlaut gründet, bestätigt. Vielmehr läuft dies auf eine – für den Steuerpflichtigen steuerverschärfende und damit belastende – Abkommensänderung hinaus und ist es allein aus dem bilateralen Bemühen zu erklären, etwaigen Nichtbesteuerungen der betreffenden Abfindungen vorzubeugen. Die Umsetzung dieses Bemühens mag (unbeschadet des Abkommensprinzips der nur virtuellen Doppelbesteuerung) gerechtfertigt und vor allem in der abkommensrechtlich (in Art. 26 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971) vereinbarten Bekundung angelegt sein, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in gegenseitigem Einvernehmen zu beseitigen. Sie kann vor dem Hintergrund des Abkommenstextes indes aus deutscher Sicht nur gelingen, wenn die „spätere Übung“ oder „Übereinkunft“ in positives und mit dem Abkommen gleichrangiges Recht erhoben wird. Es gilt erneut der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt. Auf der Basis einer bloßen Verwaltungsvereinbarung gelingt das deswegen nicht (vgl. Senatsurteil in BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4; s. auch H. Loukota, StuW International – SWI – 2000, 299, 304 ff.; s. auch abgrenzend Senatsurteile v. 4.6.2008, I R 62/06, BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793, DStRE 2008, 1332 mit Anmerkung; v. 20.8.2008, I R 39/07, BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234, DStRE 2009, 152). Ob das – wie das BMF vorträgt – nach den Verfassungsordnungen anderer Staaten abweichend gehandhabt werden kann und wird (vgl. dazu, insbesondere in Bezug auf die Niederlande, Prokisch in Vogel/Lehner, a. a. O., Art. 15 Rz 17a f.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 15 MA Rz 144; s. auch aus österreichischer Sicht M. Lang/Schuch, DBA-Österreich, Art. 21 Rz 13; H. Loukota, SWI 2000, 299; Kopf in Festschrift Loukota, a. a. O., S. 253), ist insofern unbeachtlich.
Übereinstimmung mit Rechtsprechung des BVerfG
dd) Ein anderes Ergebnis folgt weder aus dem vom BMF herangezogenen Urteil des BVerfG zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr v. 12.7.1994, 2 BvE 3/92, 2 BvE 5/93, 2 BvE 7/93, 2 BvE 8/93 (BVerfGE 90, 286, NJW 1994, 2207) noch aus dem Urteil des BVerfG v. 22.11.2001, 2 BvE 6/99 (BVerfGE 104, 151, 209) zum NATO-Strategiekonzept. Zwar hebt das BVerfG insbesondere in dem Urteil in BVerfGE 90, 286 hervor, dass in der völkerrechtlichen Praxis „fließende Übergänge zwischen Vertragsauslegung und Vertragsänderung“ bestehen (unter III.3.a dd der Entscheidungsgründe). Es liege auch in der Hand der Vertragspartner, durch eine Vertragsauslegung eine neue Praxis der Vertragsanwendung begründen zu wollen, selbst dann, wenn diese Praxis – entgegen der Auffassung der Vertragsparteien – über den Vertragsinhalt hinausgehe; eines Zustimmungsvorbehalts des Gesetzgebers (nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) bedürfe es in derartigen Situationen nicht (ebenda). Das BVerfG stellt aber zugleich klar, dass der Vollzug
solcher Vereinbarungen dann auf jene Tätigkeiten beschränkt ist, die nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegen. Ist das nicht der Fall – und der Senat nimmt dies unter den Gegebenheiten des Streitfalls für den steuerrechtlich belastenden Zugriff auf die in Rede stehende Abfindungszahlung aus den dargelegten Erwägungen an – „besteht ein Handlungsverbot, solange nicht entweder das nationale Zustimmungsgesetz den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl erteilt oder das Parlament eine sonstige ausreichende Ermächtigungsgrundlage geschaffen hat“ (unter III.3.a ee der Entscheidungsgründe), woran es vorliegend jedoch fehlt.
Kein Verbot der sog. Keinmalbesteuerung
ee) Aus demselben Grund scheidet schließlich die vom BMF angemahnte verfassungskonforme Auslegung des Abkommens (nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips, Art. 3 Abs. 1 GG) aus, um der Gefahr einer doppelten Nichtbesteuerung der Klägerin (und damit sog. weißer Einkünfte) entgegenzutreten (s. dazu erneut auch Senatsurteile in BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793, und in BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234).
Voraussetzungen der sog. überdachenden Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz liegen nicht vor,…
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