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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt
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Berücksichtigung von ausländischen Verlusten

Ausländische Betriebsstättenverluste sind dann im Inland bei den Einkünften des inländischen Stammhauses zu berücksichtigen, wenn im Ausland die noch verbleibenden Verluste nicht weiter geltend gemacht werden können.

Urteil des FG Hamburg vom 18.11.2009 Az.: 6 K 147/08

Leitsatz

1. Verluste aus einer französischen Betriebsstätte, die im Betriebsstättenstaat Frankreich endgültig nicht abgezogen werden können, sind beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 15. Mai 2008 C-414/06 „Lidl Belgium GmbH & Co. KG“, BStBl II 2009, 692) .

2. Abgrenzung der Entscheidung „Lidl Belgium GmbH & Co. KG“ von der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“ (EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 C-157/07, Slg. 2008 Seite I-08061) .

3. Der Abzug der Betriebsstättenverluste ist (rückwirkend) phasengleich im Verlustentstehungsjahr vorzunehmen.

4. Die in den körperschaftsteuerlichen Gewinn einbezogenen Betriebsstättenverluste sind für Zwecke der Gewerbesteuer gemäß § 9 Nr. 3 GewStG wieder hinzuzurechnen.

Tatbestand


Die Beteiligten streiten über den Abzug französischer Betriebsstättenverluste.


Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH weltweite Speditionsgeschäfte, Schiffsmaklerei, Schifffahrtslinien ohne eigene Schiffe sowie nationale und internationale Transportgeschäfte ohne eigene Fahrzeuge.


Die Klägerin unterhielt bis zum 30.09.2001 Betriebsstätten in A und B, Frankreich. Die Betriebsstätten erwirtschafteten in den Jahren 1998-2001 sowohl nach französischen als auch nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Verluste. In den nach französischen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Verlusten waren keine Verluste aus Abschreibungen enthalten (vgl. im Einzelnen Anlage K2 des klägerischen Schriftsatzes vom 14.04.2009). Die Klägerin hat die Verluste der Streitjahre 2000 und 2001 in Frankreich weder durch einen Verlustrück- noch durch einen Verlustvortrag nutzen können. Die nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Betriebsstättenverluste betrugen 2000 insgesamt 508.584,69 DM (260.035 €) und 2001 insgesamt 515.570,76 DM (263.607 €; vgl. Bl. 120 Bilanz- u. Bilanzberichtsakten; Anlage K 8-11 des Schriftsatzes der Klägerin vom 06.11.2009). Die Betriebsstätten in A und B waren -bis heute- die einzigen Betriebsstätten der Klägerin in Frankreich.


Nach Maßgabe des Art. 209 des Code général des impôts (CGI), des französischen Steuergesetzbuches, konnten Verluste körperschaftsteuerpflichtiger Steuersubjekte bis 2004 fünf Jahre oder, soweit sie aus Abschreibungen stammten, unbegrenzt vorgetragen werden; ab 2004 ist ein Verlustvortrag insgesamt zeitlich unbegrenzt möglich, Art. 209 I CGI. Auf Antrag des Unternehmens ist auch ein dreijähriger Verlustrücktrag zulässig, Art. 220 „quinquies“. Gemäß Art. 209 II CGI können zudem bei einer Fusion oder einer Transaktion, die der Fusion gleichgestellt ist und der Regelung des Art. 210 A CGI unterliegt, frühere Verluste und der Zinsteil nach Art. 212 II Abs.  1 Unterabs. 6 CGI, die noch nicht von der übernommenen oder einbringenden Gesellschaft ausgeglichen wurden, vorbehaltlich einer nach Art. 1649 „nonies“ erteilten Zustimmung des Finanzministers auf die übernehmende(n) Gesellschaft(en) übertragen und auf deren spätere Gewinne angerechnet werden. Bei einer Unternehmensspaltung oder der Einbringung nur eines Teils des Aktivvermögens werden die Verluste übertragen, die in den jeweils eingebrachten Geschäftsbereich fallen. Die ministerielle Zustimmung wird erteilt, wenn die Transaktion aus wirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist und hauptsächlich aus anderen als steuerrechtlichen Gründen durchgeführt wird und wenn die übernehmende(n) Gesellschaft(en) mindestens drei Jahre lang die Geschäftstätigkeit fortführt/fortführen, die zu den Verlusten oder Zinsverpflichtungen geführt hat, deren Übertrag beantragt wird. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Übersetzung der genannten Artikel des CGI durch die öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Diplom-Übersetzerin C verwiesen (vgl. zum Ganzen auch Hellio/Thill, Steuern in Frankreich, 2. Aufl., Rz. 371ff).


Die Klägerin wurde mit Bescheiden vom 14.05.2002 für das Streitjahr 2000 zur Körperschaft- und Gewerbesteuer und für das Streitjahr 2001 zur Vorauszahlung auf die Gewerbesteuer veranlagt. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 12.06.2002 Einspruch ein. Die bislang nicht erklärten Verluste in Höhe von 508.585 DM (2000) und 515.570,76 DM (2001) aus den französischen Betriebsstätten seien zu berücksichtigen. Entsprechend geänderte Steuererklärungen wurden der Einspruchsbegründung beigefügt.


Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2003 zurück. Die Betriebsstättenverluste könnten nach der Regelung des § 2a EStG i. V. m. dem Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich nicht berücksichtigt werden.


Die Klägerin hat am 16.05.2003 (Eingang bei Gericht) Klage erhoben (VI 177/03).


Nach dem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die EuGH-Verfahren C-152/03 (Ritter-Coulais) und C-414/06 (Lidl Belgium) trägt die Klägerin vor:


Nach der EuGH-Entscheidung in der Sache Lidl Belgium und dem Schlussurteil des BFH vom 17.07.2008 (I R 84/04) seien Betriebsstättenverluste aus EG-Betriebsstätten im Inland phasengleich zum Abzug zuzulassen, soweit eine künftige Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat ausscheide. Da die Betriebsstätten A und B im September 2001 eingestellt worden seien und ein Abzug der in den Streitjahren entstandenen Verluste in Frankreich aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen ausscheide, diese Verluste also in Frankreich definitiv geworden seien, müssten sie in ihre -der Klägerin- inländische Steuerbemessungsgrundlagen einbezogen werden.


Am 03.05.2004 und 18.08.2004 (Änderungsbescheid) ergingen für 2001 Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer.


Das Verfahren betreffend Gewerbesteuermessbescheid 2001 wurde mit Beschlüssen vom 05.06. und 12.11.2009 von dem Verfahren 6 K 147/08 abgetrennt und wieder damit verbunden.


Die Klägerin beantragt,


die Einspruchsentscheidung vom 15.04.2003 aufzuheben und die Bescheide für 2000 vom 14.05.2002 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag und den Bescheid für 2001 vom 18.08.2004 über den Gewerbesteuermessbetrag dahingehend zu ändern, dass für 2000 ein zusätzlicher Verlust in Höhe von 260.035 € (508.585 DM) und für 2001 ein zusätzlicher Verlust in Höhe von 263.607 € (515.570,76 DM) Gewinn mindernd berücksichtigt wird,


hilfsweise, die im Rahmen der Gewerbesteuer für 2000 geltend gemachten Verluste in 2001 zu berücksichtigen.


Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Der Beklagte trägt vor: Die Klägerin habe bislang nicht nachgewiesen, dass ein Verlustabzug in Frankreich tatsächlich nicht möglich sei. Zudem habe der EuGH in der Sache Lidl Belgium keine Aussagen dazu getroffen, ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen Verluste einer ausländischen Betriebsstätte im Inland zu berücksichtigen seien. Jedenfalls könne die Aufgabe einer Auslandsbetriebsstätte nicht dazu führen, dass vom Betriebsstättenstaat noch nicht berücksichtigte Betriebsstättenverluste nunmehr beim inländischen Stammhaus berücksichtigt werden müssten. Denn der Steuerpflichtige könne in dem betreffenden Staat jederzeit wieder eine neue Betriebsstätte eröffnen und deren Gewinne mit den vorgetragenen Verlusten saldieren. Ob der Steuerpflichtige hiervon Gebrauch mache, unterliege seiner freien Entscheidung. Dass er dabei die vom Betriebsstättenstaat aufgestellten Regelungen über die Möglichkeiten von Verlustvor- und rückträgen zu beachten habe, verstehe sich von selbst. Mit der EuGH-Entscheidung in der Sache C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH) müsse zudem davon ausgegangen werden, dass aufgrund zeitlicher Begrenzung im Betriebsstättenstaat verbleibende Verlustüberhänge unschädlich seien.


Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift vom 22.04.2009 wird ebenso verwiesen, wie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2009.


Dem Gericht haben zu der den Streitfall betreffenden Steuernummer …/…/… je ein Band Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Bilanzberichtsakten sowie Akten betreffend Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals vorgelegen.



Entscheidungsgründe


1. Die Klage ist insgesamt zulässig.

Die Bescheide für 2001 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 03.05.2004 bzw. 18.08.2004 wurden gemäß § 68 FGO zum Verfahrensgegenstand der ursprünglich gegen den Vorauszahlungsbescheid für 2001 erhobenen Klage (st. BFH-Rspr., vgl. nur BFH-Urteil vom 04. November 1999 V R 35/98 , BStBl II 2000, 454; a. A. von Groll in Gräber, FGO, 6. Aufl., § 68 Rz. 30 mit vielen weiteren Nachweisen).

2. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO, als die französischen Betriebsstättenverluste nicht in die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen worden sind (a.); im Übrigen, d. h. in Bezug auf die Gewerbesteuer 2000 und 2001, ist die Klage unbegründet (b.).

a.

aa. Die von der Klägerin im Streitjahr in ihren französischen Betriebsstätten erwirtschafteten Verluste sind nach Art. 20 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Frankreich im Inland steuerfrei und gehen nach der sog. Symmetriethese grundsätzlich nicht in die einkommen- und körperschaftsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte ein (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 2008 I R 84/04, BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630, zur vergleichbaren Abkommenslage nach dem DBA-Luxemburg). Der Umstand, dass § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/ 2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit erstmaliger Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften -Steuerbereinigungsgesetz [StBereinG] 1999- vom 22. Dezember 1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) -und damit für das Streitjahr- ersatzlos gestrichen worden ist, ändert an dieser Abkommenslage nichts (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 2008 I R 84/04, BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630, mit weiteren Hinweisen).


bb. Die so verstandene Abkommensregelung verstößt nach der EuGH-Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Mai 2008 Rs. C-414/06 „Lidl Belgium GmbH & Co. KG“, BStBl II 2009, 692; vom 13. Dezember 2005 Rs. C-446/03 „Marks & Spencer“, HFR 2006, 409) im Grundsatz nicht gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungs- (Art. 43 EG) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG). Nach derselben Rechtsprechung sind Verluste aus EG-Betriebsstätten jedoch dann beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen, wenn die Verluste in dem Betriebsstättenstaat endgültig („final“) werden, d. h., wenn die dortigen Möglichkeiten einer Verlustberücksichtigung für den betreffenden Steuerzeitraum ausgeschöpft sind und wenn die Verluste weder für vergangene noch für künftige Steuerzeiträume genutzt werden können. Im Einzelnen verweist der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, zur Begründung auf die genannten Urteile des EuGH.


cc. Im Streitfall gehen die (nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts ermittelten) französischen Betriebsstättenverluste aus dem Jahr 2000 in die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage ein, weil die Klägerin nachgewiesen hat, dass sie die Möglichkeiten einer -interperiodischen- Verlustberücksichtigung in Frankreich ohne Erfolg ausgeschöpft hat. Aus der Anlage K2 des klägerischen Schriftsatzes vom 14.04.2009 ist nämlich ersichtlich, dass die Betriebsstätten A und B sowohl 2000 als auch 1999 und 1998 Verluste erwirtschaftet haben und dass für keinen dieser Verluste ein Rücktrag in die bis zu drei vorangegangenen Steuerzeiträume (vgl. Art. 220 „quinquies“ CGI) erfolgt ist. Denn andernfalls hätte die mit der Anlage K2 vorgelegte Aufstellung der französischen Steuerprüfung für 1998-2000 für 1998,1999 oder 2000 Steuerguthaben aus Verlustrückträgen (vgl. Art. 220 „quinquies“ CGI; Hellio/Thill, Steuern in Frankreich, 2. Aufl., Rz. 374) ausweisen müssen, was nicht der Fall ist. Die Klägerin hat zudem nachgewiesen, dass auch ein Verlustvortrag nicht möglich war. Zum einen war nach der für den Betrachtungszeitraum 2000 maßgeblichen Regelung des CGI ein Verlustvortrag, soweit die Verluste -wie hier- nicht aus Abschreibungen stammten, auf fünf Jahre begrenzt; unstreitig ist ein Verlustvortrag in den danach maßgebenden Jahren 2001-2005 nicht erfolgt. Zum anderen hat die Klägerin die Verluste auch nicht i. S. des Art. 209 II CGI durch Übertragung des Betriebsstättenvermögens auf einen anderen Rechtsträger wirtschaftlich nutzen können. Die Klägerin hat die Betriebsstätten vielmehr -ebenso unstreitig- zum 30.09.2001 eingestellt und endgültig aufgegeben. Insgesamt ist deshalb festzustellen, dass es weder der Klägerin noch einem Dritten in Frankreich möglich war, die Verluste nach den tatsächlich gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen zu nutzen. Die Verluste sind sonach endgültig („final“) geworden. Der Klägerin darf es deshalb in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten nicht verwehrt werden, die Verluste von ihrem steuerpflichtigen Gewinn im Inland abzuziehen.


dd. Aus dem EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2008 in der Rs. C-157/07 „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“ (Slg. 2008 Seite I-08061) sind keine anderen Schlüsse zu ziehen. Die Entscheidung berührt nicht das durch die Entscheidung in der Rs. „Lidl Belgium“ unter den dort genannten und hier erfüllten Voraussetzungen eröffnete Verlustabzugsrecht im Inland. Die Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“ betrifft eine andere Rechts- und Tatfrage, nämlich die Vereinbarkeit der §§ 2 Abs. 1 AIG und § 2a Abs. 3 EStG a. F. mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten. Hierzu hat der EuGH zutreffend entschieden, dass die von den §§ 2 Abs. 1 AIG, 2a Abs. 3 EStG a. F. vorgesehene Verlusthinzurechnung kohärent und gemeinschaftsrechtskonform gewesen ist (vgl. Rn. 42 ff der Entscheidung). Der EuGH hat in der Rs. „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“ zudem entschieden, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit beseitigt, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt; insbesondere ist der Ansässigkeitsstaat des Stammhauses nicht verpflichtet, Beschränkungen der Grundfreiheiten, die den Steuerregelungen des Betriebsstättenstaats zuzurechnen sind, zu beseitigen (vgl. Rn. 51f der Entscheidung). Der Ansässigkeitsstaat des Stammhauses ist nach der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“ somit nicht verpflichtet, Betriebsstättenverluste zu berücksichtigen, deren Abzug im Betriebsstättenstaat in gemeinschaftsrechtswidriger Weise versagt wird (vgl. auch Knipping, IStR 2009, 275 m. w. N.). Aus der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH“ folgt demnach nicht, dass Verluste, die -wie im Streitfall- im Betriebsstättenstaat aus anderen, tatsächlichen Gründen (kein Verlustausgleichsvolumen im Verlustrücktragszeitraum bzw. Verlustvortragszeitraum) endgültig nicht abgezogen werden können, entgegen der Entscheidung des EuGH in der Rs. „Lidl Belgium“ beim inländischen Stammhaus nicht zu berücksichtigen sind. Jedenfalls ist nach Auffassung des erkennenden Senats für ein derartiges Verständnis der Entscheidung „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheim-statt GmbH“ kein Raum.


ee. Für den Zeitpunkt des Verlustabzugs fehlt es an einer gesetzlichen Regelung. Der Zeitpunkt ist deshalb nach Maßgabe allgemeiner Besteuerungsgrundsätze unter Einbeziehung der verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen zu bestimmen. Hiernach ist der Verlustabzug nach Auffassung des Senats rückwirkend phasengleich im Verlustentstehungsjahr vorzunehmen. Zwar stand mit Ablauf des Streitjahres 2000 noch nicht fest, dass die Verluste des Steuerzeitraums 2000 in Frankreich nicht (mehr) genutzt werden können; die „Finalität“ der Verluste folgte vielmehr erst aus der Aufgabe der Betriebsstätten zum 30.09.2001 und aus dem Untergang der Verlustvortragsmöglichkeit spätestens nach Ablauf von fünf Jahren zum 31.12.2005. Deshalb könnte man auch dafür eintreten, die Verluste erst im „Finalitätsjahr“ zum Abzug zuzulassen, weil erst mit dem Eintritt der „Finalität“ das für die inländische Verlustberücksichtigung entscheidende Tatbestandsmerkmal verwirklicht wird. Nach Auffassung des Senats sprechen aber für eine rückwirkende, phasengleiche Verlustberücksichtigung im Ergebnis die besseren Gründe (vgl. zum Ganzen auch Gosch, BFH-PR 2008, 490). Zunächst steht mit dem Eintritt der „Finalität“ der Verluste fest, dass die Verluste der Verlustentstehungsjahre im Inland zu berücksichtigen sind. Der Eintritt der „Finalität“ kann deshalb als ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO qualifiziert werden. Zudem existiert nach gegenwärtiger Rechtslage im Inland kein dem § 10d Abs. 4 EStG entsprechendes Verlustfeststellungsverfahren für ausländische Betriebsstättenverluste; ein periodenübergreifender Betriebsstätten-Verlustvortrag bis zum „Finalitätsjahr“ könnte damit verfahrensrechtlich nicht nachvollzogen werden. Letzteres wäre aber nach Auffassung des Senats erforderlich, um eine einheitliche und widerspruchsfreie Berücksichtigung der Betriebsstättenverluste im Inland zu gewährleisten. Ferner verhindert ein phasengleicher Verlustabzug, dass der Steuerpflichtige im Verlustentstehungsjahr den negativen Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG und im Jahr der Verlust- „Finalität“ zusätzlich den Verlustabzug in Anspruch nehmen kann (ob § 174 AO einen solchen „Double dip“ [Gosch, BFH-PR 2008, 490] als begünstigenden Widerstreit regelt, erscheint fraglich). Darüber hinaus gewährleistet ein phasengleicher Verlustabzug eine effektivere Verlustnutzung im Inland unter Einbeziehung von Verlustrück- und vorträgen, wenn das Stammhaus zwar bis zu dem der „Finalität“ der Auslandsverluste vor- vorangegangenen Steuerzeitraum Gewinne erzielt, aber ab dem dem „Finalitätsjahr“ vorangehenden Steuerzeitraum Verluste schreibt. Und schließlich spricht der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dafür, einen „finalen“ Verlust zum frühestmöglichen Zeitpunkt, und d. h. ab dem Verlustentstehungsjahr als dem Jahr, ab dem das Stammhaus die Verluste tatsächlich wirtschaftlich trägt, bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.


ff. Der um die französischen Betriebsstättenverluste zu mindernde körperschaftsteuerliche Gewinn ist nicht -im Wege der Saldierung- um die von der Klägerin im Einspruchsverfahren erklärten Zinszahlungen an die amerikanische Muttergesellschaft in Höhe von DM 113.156 (vgl. Schriftsatz vom 08.07.2002, Bl. 190 KSt-A) als verdeckte Gewinnausschüttung zu erhöhen. Nach dem der Zinszahlung zugrunde liegenden „Loan Agreement“ vom 02.07.1999 (Bl. 205f KSt-A) sind die Darlehenszinsen nach einem Bruchteil des hingegebenen Kapitals bemessen worden, sodass § 8a KStG a. F. nicht einschlägig ist.

b.


aa. Die Klägerin unterliegt der Gewerbesteuer, soweit sie ihren Gewerbebetrieb im Inland betreibt, § 2 Abs.1 Satz 1 GewStG. Als Konsequenz der Begrenzung des Objekts der Gewerbesteuer auf das Inland bestimmt § 9 Nr.3 GewStG -deklatorisch (vgl. BFH-Urteil vom 06. Juli 2005 VIII R 72/02, BFH/NV 2006, 363)-, dass die zur Berechnung des Gewerbeertrags führende Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags des inländischen Unternehmens gekürzt wird, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebstätte entfällt (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 80/82, BStBl II 1985, 405). Dabei kann der Teil des Gewerbeertrags, um den die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen zu kürzen ist, auch ein auf eine ausländische Betriebstätte entfallender Verlust sein (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1971 I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743; vom 10. Juli 1974 I R 248/71, BFHE 113, 242, BStBl II 1974, 752).


bb. Die Klägerin unterfällt als im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft dem persönlichen Anwendungsbereich des § 9 Nr. 3 GewStG (vgl. Gosch in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 GewStG Rz. 213). Die bei der Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens nach § 8 KStG gebotene Einbeziehung der französischen Betriebsstättenverluste ist deshalb für Zwecke der Gewerbesteuer nach § 9 Nr. 3 GewStG wieder zu korrigieren.


cc. Der erkennende Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Regelung des § 9 Nr. 3 GewStG mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten im Einklang steht. Durch die Begrenzung des Objekts der Gewerbesteuer auf den im Inland betriebenen Gewerbebetrieb gemäß § 2 Abs. 1 GewStG kollidiert die Gewerbesteuer strukturell nicht mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten. Denn die Grundfreiheiten sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auf rein interne Sachverhalte eines Mitgliedstaats nicht anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 2/00, BFHE 203, 263, BStBl II 2004, 17 m. w. N.). Soweit die Grundfreiheiten darauf abzielen, die Inländergleichbehandlung sicherzustellen, gelten sie in jedem Mitgliedstaat nur für die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten und können auch nur für diese gelten, da die Angehörigen des Aufnahmestaats bereits zwangsläufig unter die genannten Bestimmungen fallen (vgl. BFH a. a. O.). Der gewerbesteuerliche Ausschluss der Verlustverrechnung mit ausländischen Betriebsstättenverlusten ist deshalb kohärent und europarechtskonform (a. A. Schön, IStR 2004, 289, 294).


3. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 135 Abs. 1, § 115 Abs. 2 FGO.


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs.3 FGO, 708 Nr.10, 711 ZPO.


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