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Holger J. Haberbosch
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Untersuchungshaft kann zu Nichtrückkehrtagen im Sinne des Art. 15a DBA D-CH führen

Untersuchungshaft eines Grenzgängers kann dann zu Nichtrückkehrtagen im Sinne des Art. 15a DBA D-CH führen, wenn die der Untersuchungshaft zugrundeliegende Tat einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit hat.

BFH 11.11.2009, Az: I R 50/08

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2001 und 2002 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) wohnten. Der Kläger war in den Streitjahren einzelzeichnungsberechtigter Direktor der C-AG mit Sitz in der Schweiz. Gegenstand der C-AG war der Handel mit Flugzeugen und Flugzeugteilen auf zivilem und militärischem Gebiet. Die C-AG hatte eine Militärlizenz, die sie nach Schweizer Recht berechtigte, nach einer Genehmigung durch die zuständige Behörde auch militärisch brauchbare Güter zu exportieren. Der Kläger führte die Verhandlungen mit Lieferanten bezüglich des Ankaufs sowie mit Kunden bezüglich des Verkaufs von Flugzeugteilen und Flugzeugen. Hierzu war er weltweit tätig.


Im Streitjahr 2001 unternahm der Kläger Dienstreisen nach A (30. Januar bis 2. Februar und 27. Februar bis 11. März), nach B (22. bis 24. März) und nach C (27. bis 29. März). Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die C-AG reiste der Kläger am 4. Juli 2001 in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ein. Bereits am 28. Juni 2001 war dort gegen ihn ein Haftbefehl wegen Verstoßes gegen Export- und Waffenembargobestimmungen der USA ergangen. Dem Kläger wurde zur Last gelegt, als Verantwortlicher der C-AG ohne Genehmigung der zuständigen amerikanischen Behörden militärisch nutzbare Teile von Flugzeugen und Hubschraubern nach … geliefert zu haben.


Der Kläger wurde aufgrund dieser Vorwürfe am 5. Juli 2001 verhaftet. Im Februar 2002 kam es zu einer Vereinbarung mit der Anklagebehörde, in der der Kläger lediglich einen Vorwurf einräumte. Daraufhin wurde der Kläger am 18. Juli 2002 zu 30 Monaten Haft und zu einer Geldstrafe von … verurteilt. Aufgrund des Urteils befand sich der Kläger ab 18. September 2002 in den USA in Strafhaft, aus der er am 9. September 2003 entlassen wurde.


Während der Untersuchungshaft wurde dem Kläger das Gehalt von der C-AG bis zum 30. April 2002 weiterbezahlt. Der Arbeitslohn des Klägers betrug im Streitjahr 2001 253.440 DM und im Streitjahr 2002 43.520 €. Vom Arbeitslohn des Klägers wurde in den Streitjahren in der Schweiz ein Quellensteuerabzug vorgenommen. Ab 1. Mai 2002 befand sich der Kläger im Ruhestand.


Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) bezog bei der Veranlagung der Kläger für die Streitjahre die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Direktor der C-AG in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein. Er ging hierbei davon aus, dass der Kläger in den Streitjahren als Grenzgänger i.S. des Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) –DBA-Schweiz 1992– anzusehen sei. Die Inhaftierung in den USA zähle nicht zu den Arbeitstagen i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992, an denen der Arbeitnehmer auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückkehre.


Bei der Veranlagung für das Streitjahr 2001 hatte das FA zunächst für das zweite Halbjahr die Grenzgängereigenschaft verneint und nach Art. 24 i.V.m. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 die hälftige Quellensteuer auf die Einkommensteuer angerechnet. In der Einspruchsentscheidung behandelte das FA den Kläger demgegenüber für das gesamte Streitjahr 2001 als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 und begrenzte die Steueranrechnung auf 4,5 % des in diesem Streitjahr bezogenen Arbeitslohns. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2002 blieb ebenfalls erfolglos.


Den hiergegen erhobenen Klagen gab das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 1. April 2008 11 K 90/06, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1181, statt.


Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


Dem Revisionsverfahren sind das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg (FinMin) beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das BMF hat ebenso wie das FinMin keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe


II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Direktor der C-AG in vollem Umfang unter Anwendung des Progressionsvorbehalts von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen sind.


1. Der Kläger war in den Streitjahren gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997/2002 (EStG 1997/2002) unbeschränkt steuerpflichtig; er unterlag daher mit allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger in den Streitjahren einen Wohnsitz im Inland.


2. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit für die C-AG nicht gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1992 der deutschen Steuer unterliegen.


a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 entfällt bei einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung im anderen Vertragsstaat während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (sog. Nichtrückkehrtage).


Ist ein Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres im anderen Vertragsstaat beschäftigt, so sind nach Nr. II.3. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 (BStBl I 1993, 929) die für die Grenzgängereigenschaft unschädlichen Nichtrückkehrtage in der Weise zu berechnen, dass für einen vollen Monat der Beschäftigung fünf Tage und für jede volle Woche der Beschäftigung ein Tag anzusetzen sind. Diese Bestimmung enthält eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 (Senatsurteile vom 16. Mai 2001 I R 100/00, BFHE 195, 341, BStBl II 2001, 633; vom 27. August 2008 I R 10/07, BFHE 222, 546, BStBl II 2009, 94 und I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97).


b) Der Kläger hat in den Streitjahren Vergütungen aus unselbständiger Arbeit bezogen. Entgegen der Auffassung des FA gilt dies auch insoweit, als ihm während der Untersuchungshaft das Gehalt von der C-AG bis zum Eintritt in den Ruhestand am 30. April 2002 weiterbezahlt wurde.


Ob Vergütungen aus unselbständiger Arbeit vorliegen, richtet sich mangels einer abkommensrechtlichen Regelung nach § 19 EStG 1997/2002 (Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1992; Senatsurteile vom 18. Juli 1973 I R 52/69, BFHE 110, 43, BStBl II 1973, 757; vom 10. Juli 1996 I R 83/95, BFHE 181, 155, BStBl II 1997, 341). Danach gehören zu den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit alle Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im Rahmen eines Dienstverhältnisses gewährt werden (Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Schweiz Art. 15 Rz 26). Maßgeblich hierfür ist, ob die Zuwendung durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 I R 176/87, BFH/NV 1991, 820, unter II.B.I.1.; Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19. Juni 2008 VI R 4/05, BFHE 222, 353, BStBl II 2008, 826, m.w.N.).


Der Kläger hat die Zahlungen während der Untersuchungshaft für seine Beschäftigung bei der C-AG erhalten. Die Zahlungen sind durch die Beschäftigung bei der C-AG veranlasst, da sie nach den Feststellungen des FG aufgrund des Arbeitsvertrags mit der C-AG erfolgten (Blümich/Thürmer, § 19 EStG Rz 191; Schmidt/ Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 19 Rz 24). Sie wurden –im Gegensatz zu Abfindungszahlungen (vgl. hierzu Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 90/08, BFH/NV 2009, 2041 und I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044, jeweils m.w.N.)– von der C-AG auch für die vom Kläger in den Streitjahren ausgeübte Tätigkeit geleistet. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seine Arbeitsleistung während der Untersuchungshaft nicht bzw. nur eingeschränkt erbringen konnte; insofern verhält es sich nicht anders als bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581, unter 2.b).


c) Der Kläger ist kein Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992, da er in den Streitjahren aufgrund seiner Inhaftierung in den USA die nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 für die Grenzgängereigenschaft unschädliche Höchstgrenze der Nichtrückkehrtage überschritten hat.


aa) Maßgeblicher Zeitraum für die Beurteilung der Grenzgängereigenschaft ist nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 das gesamte Kalenderjahr; ein kürzerer Zeitraum kommt gemäß Nr. II.3. des Verhandlungsprotokolls in BStBl I 1993, 929 nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres im Tätigkeitsstaat beschäftigt ist.


Der Kläger war im Streitjahr 2001 während des gesamten Kalenderjahres bei der C-AG beschäftigt. Im Streitjahr 2002 ist für die Beurteilung der Grenzgängereigenschaft der Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April zugrunde zu legen, da der Kläger nach den Feststellungen des FG am 1. Mai 2002 in den Ruhestand getreten ist. Die für die Grenzgängereigenschaft unschädliche Höchstgrenze der Nichtrückkehrtage liegt damit im Streitjahr 2001 bei 60 Tagen und im Streitjahr 2002 bei 20 Tagen.


Der Anwendung der Grenzgängerregelung für das gesamte Streitjahr 2001 steht nicht entgegen, dass sich der Kläger ab dem 5. Juli in Untersuchungshaft in den USA befand. Denn nach den in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 und in Nr. II.3. des Verhandlungsprotokolls in BStBl I 1993, 929 enthaltenen Regelungen richtet sich der für die Beurteilung der Grenzgängereigenschaft maßgebliche Zeitraum allein nach der Dauer der Beschäftigung in einem bestimmten Vertragsstaat (Brandis in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 15a Rz 48 f.; Kempermann in Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15a Rz 37). Ob sich der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Beschäftigung tatsächlich in Drittstaaten aufhält, ist dagegen für den Beurteilungszeitraum unbeachtlich.


bb) Der Kläger ist im Streitjahr 2001 an mehr als 60 Arbeitstagen und im Streitjahr 2002 an mehr als 20 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt. Die Nichtrückkehr ist beruflich veranlasst, wenn die Rückkehr aus beruflichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war (Senatsurteile vom 15. September 2004 I R 67/03, BFHE 207, 452, unter II.4.; vom 20. Oktober 2004 I R 31/04, BFH/NV 2005, 840; BMF-Schreiben vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683 Tz. 13). Diese Voraussetzung ist im Streitfall ebenfalls erfüllt.


aaa) Nach den Feststellungen des FG befand sich der Kläger ab dem 5. Juli 2001 in den USA in Untersuchungshaft, die bis zum Eintritt des Klägers in den Ruhestand am 1. Mai 2002 andauerte. Der Kläger wurde wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen Export- und Waffenembargobestimmungen festgenommen, der ihm aufgrund seiner Tätigkeit als Verantwortlicher der C-AG zur Last gelegt wurde. Die Inhaftierung ist damit durch das berufliche Verhalten des Klägers veranlasst, da der Kläger die ihm vorgeworfene Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223, m.w.N.).


bbb) Der Annahme einer berufsbedingten Nichtrückkehr steht im Streitfall nicht entgegen, dass die Inhaftierung wegen einer Straftat erfolgte, für die der Kläger zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, die er im Anschluss an die Untersuchungshaft am 18. September 2002 antrat.


Bei der Beurteilung der Berufsbezogenheit der Nichtrückkehr wird die berufliche Veranlassung der Untersuchungshaft nicht durch die persönliche Schuld des Klägers überlagert. Strafwürdiges oder verbotswidriges Verhalten des Steuerpflichtigen kann nicht ohne Weiteres der privaten Sphäre zugerechnet werden; entscheidend für die Beurteilung eines solchen Verhaltens ist vielmehr der Veranlassungszusammenhang (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, unter B.II.3.c). Schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ist daher nur dann der privaten Sphäre zuzurechnen, wenn die berufliche Veranlassung durch eine private Veranlassung überlagert wird (BFH-Urteil vom 27. März 1992 VI R 145/89, BFHE 168, 99, BStBl II 1992, 837, unter 3.). An einer solchen privaten Veranlassung fehlt es jedoch im Streitfall.


Ist das schuldhafte Verhalten nach diesen Maßstäben beruflich veranlasst, so muss dies jedenfalls auch für die aufgrund des damit verbundenen Strafvorwurfs verhängte Untersuchungshaft gelten. Denn die Untersuchungshaft soll die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherstellen; sie knüpft damit nicht an die persönliche Schuld an, sondern dient der Aufklärung der Straftat (vgl. zum deutschen Recht Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 1971 2 BvR 233/71, BVerfGE 32, 87, unter III.1., m.w.N.). Hieran ändert die spätere Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Haftstrafe nichts. Diese Beurteilung gilt in gleicher Weise für eine Untersuchungshaft in den USA. Ob auch die sich an die Verurteilung des Klägers anschließende Strafhaft zu einer berufsbedingten Nichtrückkehr geführt hätte, kann im Streitfall offenbleiben.


ccc) Die Untersuchungshaft entfiel im Streitjahr 2001 auf mehr als 60 Arbeitstage und im Streitjahr 2002 auf mehr als 20 Arbeitstage. Denn der Kläger war nach den Feststellungen des FG während der Inhaftierung weiterhin als Direktor der C-AG beschäftigt und erhielt hierfür von der C-AG die ihm nach seinem Arbeitsvertrag zustehende Vergütung. Er blieb mithin an den vertraglich vereinbarten Arbeitstagen zur Arbeitsleistung verpflichtet, auch wenn er diese aufgrund der Untersuchungshaft nicht bzw. nur in eingeschränktem Umfang erbringen konnte. Entgegen der Auffassung des FA und des FinMin ist die Untersuchungshaft insoweit nicht mit –arbeitsfreien– Krankheitstagen vergleichbar, die nicht zu Nichtrückkehrtagen i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 führen (Brandis in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 15a Rz 46; Vogelgesang in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 15 DBA-Schweiz Rz 20; BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 13). Im Gegensatz zur –beruflich veranlassten– Untersuchungshaft sind die Krankheitstage zudem regelmäßig der privaten Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen (Kempermann in Flick/ Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rz 33).


Bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage sind schließlich alle in den Zeitraum der Untersuchungshaft fallenden Arbeitstage zu berücksichtigen. Die in Nr. II.3. des Verhandlungsprotokolls in BStBl I 1993, 929 getroffene Regelung steht dem nicht entgegen. Danach wird zwar die Annahme einer regelmäßigen Rückkehr an den Wohnsitz i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Arbeitsausübung bedingt durch betriebliche Umstände, wie z.B. bei Schichtarbeitern oder Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst, über mehrere Tage erstreckt; ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz führt damit nicht zu mehreren, sondern allenfalls zu einem einzigen Nichtrückkehrtag (Senatsurteile in BFHE 222, 546, BStBl II 2009, 94; in BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Die Untersuchungshaft des Klägers ist jedoch nicht mit den in der Protokollregelung genannten Regelbeispielen vergleichbar; ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz des Klägers während der Untersuchungshaft ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag mit der C-AG. Bei der Untersuchungshaft handelt es sich daher um einen atypischen Fall, der nicht von der Protokollregelung erfasst wird.


3. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden können und die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird.


a) Der Kläger war in den Streitjahren gemäß Art. 4 DBA-Schweiz 1992 in Deutschland ansässig. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.


b) Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit können nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz besteuert werden.


aa) Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, so können sie in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).


bb) Der Kläger war nach den Feststellungen des FG einzelvertretungsberechtigter Direktor der in der Schweiz ansässigen C-AG; er gehörte damit zum Kreis der in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 genannten leitenden Angestellten. Die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Direktor wurden in den Streitjahren in der Schweiz besteuert.


Die Tätigkeit des Klägers umfasste nicht lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz. Nach den Feststellungen des FG führte der Kläger als Direktor der C-AG weltweit die Verhandlungen bezüglich des An- und Verkaufs von Flugzeugteilen und Flugzeugen. Er war damit nicht nur für bestimmte Aufgaben außerhalb der Schweiz zuständig; dies gilt entgegen der Auffassung des FinMin auch im Hinblick auf die Einkaufstätigkeit in den USA (Vogelgesang in Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 15 DBA-Schweiz Rz 14; vgl. zur Reisetätigkeit im Ausland Senatsurteil vom 8. April 1992 I R 68/91, BFH/NV 1993, 295).


cc) Die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 wird im Streitfall nicht durch Art. 15a DBA-Schweiz 1992 ausgeschlossen, da der Kläger in den Streitjahren nicht als Grenzgänger anzusehen ist.


c) Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Kläger seine Arbeit in den Streitjahren auch insoweit i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz ausgeübt hat, als er aufgrund seiner Tätigkeit für die C-AG in den USA inhaftiert war.


Nach dem Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04 (BFHE 215, 237) wird die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 fällt, auch insoweit i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 „in der Schweiz ausgeübt“, als sie tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet wird. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthält danach für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes, die auch bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 zu berücksichtigen ist. Hieran hält der Senat fest; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 11. November 2009 I R 83/08 verwiesen.


Der Anwendung der Fiktion des Tätigkeitsortes steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Kläger aufgrund der Inhaftierung in den USA seine Arbeitsleistung tatsächlich nicht bzw. nur eingeschränkt erbringen konnte. Denn Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 knüpft –abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des auf andere Staaten begrenzten Aufgabenbereichs– nur an die Stellung als leitender Angestellter an; dasselbe muss für die aus der Vorschrift abgeleitete Fiktion des Arbeitsorts gelten. Der Kläger war indessen in den Streitjahren bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Mai 2002 als leitender Angestellter bei der C-AG beschäftigt; er übte damit seine Arbeit auch während der Untersuchungshaft i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz aus.


4. Das FG hat damit zutreffend angenommen, dass sämtliche Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Direktor der C-AG nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen werden. Die Einkünfte sind im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32b EStG 1997/2002 bei der Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).


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