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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt
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Veräußerungsgewinne bei Personengesellschaften

Die Veräußerungs von Anteilen an einer ausländischen Personengesellschaft führt nicht unbedingt zu Einkünften die nach DBA in Deutschland zu versteuern sind.(hier:Spanien)

BFH, Beschluss vom 19. 5. 2010 – I B 191/09

FGO § 69; EStG 2002 § 15 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 Satz 1; EStG 2002 i. d. F. des JStG 2007 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, § 52 Abs. 59a Satz 6; DBA-Spanien Art. 3 Abs. 2, Art. 5, Art. 6 Abs. 1, Art. 13, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 59 Abs. 2

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg 2. 11. 2009 6 V 2234/09

Sachverhalt:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung v. 5. 12. 1966 – DBA-Spanien – (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) in Deutschland besteuert werden dürfen.


Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2003) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie waren bis zum Streitjahr an der X beteiligt, einer spanischen Gesellschaft in der Rechtsform einer Sociedad en Commandita (S.C.), deren Struktur der einer deutschen Kommanditgesellschaft entspricht. Persönlich haftende Gesellschafterin der X war die Y, eine ebenfalls spanische Gesellschaft in der Rechtsform der Sociedad Anónima (S.A.), die mit einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Die Antragsteller zählten zu den Gesellschaftern der Y und hielten ihre Beteiligungen jeweils im Sonderbetriebsvermögen der X.


Das Gesellschaftsvermögen der X bestand im Wesentlichen aus einem Hotelbetrieb in Spanien, der auf Grund eines von Y eingeräumten Erbbaurechts errichtet worden und ganz überwiegend verpachtet war. X selbst betrieb in der Hotelanlage eine Boutique; zudem überwachte sie mit der Bewirtschaftung, Unterhaltung und Instandsetzung des Hotelgebäudes beschäftigte Personen. Ob die Geschäftsleitung der Gesellschaften in der Hotelanlage oder im Inland ausgeübt wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig. Nach dem Vortrag des Antragsgegners und Beschwerdegegners (FA) hat Y in Spanien Steuererklärungen abgegeben, ausweislich derer sie keine Aktivitäten entfaltet hat.


Im Streitjahr veräußerten die Antragsteller ihre Anteile an X und Y. In der für X abgegebenen Feststellungserklärung für das Streitjahr wurde der dabei erzielte Gewinn als nach dem DBA-Spanien steuerfrei erklärt. Dem folgte das FA im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte nicht; es stellte in Höhe des erklärten Betrags einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn fest. Über den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ist nach Aktenlage noch nicht entschieden worden.


Die Antragsteller beantragten, nachdem das FA zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, beim FG Baden-Württemberg eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheids im Hinblick auf die Veräußerungsgewinne. Das FG lehnte diesen Antrag ab (Beschluss v. 2. 11. 2009, 6 V 2234/09). Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragsteller.


Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Gründe:


II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Es bedarf in mehrfacher Hinsicht weiterer Sachaufklärung, dies vor allem dazu, ob es sich bei den veräußerten Beteiligungen an der X als auch der Anteile an der Y tatsächlich um Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen der Antragsteller handelte oder aber, ob die Beteiligungen in deren Privatvermögen gehalten wurden, weil die X im Streitjahr einer lediglich vermögensverwaltenden Tätigkeit nachging. Davon kann im Ausgangspunkt die Antwort auf die Frage abhängen, ob Deutschland oder aber Spanien das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zusteht. Davon hängt es wiederum maßgeblich ab, ob die in Rede stehenden Einkünfte nach dem DBA-Spanien in Deutschland besteuert werden dürfen und ob die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlich zweifelhaft i. S. des § 69 FGO ist.

Voraussetzungen für die AdV-Gewährung


1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das wiederum ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (BFH-Beschluss v. 11. 6. 2003, IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, DStR 2003, 1164, m. w. N.).


Die AdV setzt nicht voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss v. 25. 8. 2009, VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826, DStR 2009, 1950).

„Geprägte” und ggf. auch „originäre” gewerbliche Einkünfte der spanischen Personengesellschaft, …


2. Die Beteiligten gehen im Streitfall übereinstimmend davon aus, dass die im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Antragsteller sowohl durch die Veräußerung ihrer Beteiligungen an der X als auch durch die Veräußerung der Anteile an der Y Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 EStG 2002 erzielt haben. Diese Annahme einer Gewerblichkeit wird zwar nicht abschließend durch Tatsachen und eine dahingehende Subsumtion unter die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG 2002 gestützt. Sie steht aber in Einklang damit, dass es sich nach Aktenlage bei der X um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 gehandelt hat. Dass Y eine Kapitalgesellschaft spanischen Rechts ist, hindert die gewerbliche Prägung der X nicht, da diese auch durch eine ausländische Kapitalgesellschaft vermittelt werden kann (BFH-Urteil v. 14. 3. 2007, XI R 15/05, BFHE 217, 438, BStBl II 2007, 924, DStRE 2007, 828).

… für die möglicherweise allein Spanien das Besteuerungsrecht zusteht


3. Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Besteuerung befreit sind. Eine abschließende Entscheidung bedarf jedoch weiterer Sachaufklärung und muss dem FG vorbehalten bleiben.


a) Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien werden bei einer in Deutschland (nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien) ansässigen Person u. a. die Einkünfte aus Quellen innerhalb Spaniens ausgenommen, die nach dem DBA-Spanien in Spanien besteuert werden können. Das gilt nicht für Einkünfte, auf die Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien anzuwenden ist. Es gilt ferner nur mit Einschränkungen für Dividenden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Spanien).

Aber Ungewissheiten über die tatsächlichen Gegebenheiten


b) Ob die in Rede stehenden Einkünfte i. S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien „in Spanien besteuert werden können”, ist ernstlich zweifelhaft i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Der entgegenstehenden Ansicht des FG pflichtet der Senat nicht bei.

Maßgebliche Abkommenslage für Veräußerungsgewinne


aa) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i. S. des Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Ferner können nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebstätte darstellt, die ein Unternehmen eines Vertragstaates in dem anderen Vertragstaat hat, sowie derartige Gewinne aus der Veräußerung einer solchen Betriebstätte in dem anderen Staat besteuert werden. Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien, der das alleinige Besteuerungsrecht demgegenüber demjenigen Vertragstaat zuweist, in dem der Veräußerer ansässig ist, betrifft nur die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen, das nicht in den Abs. 1 und 2 der Vorschrift genannt ist. Die in Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien getroffenen Regelungen gehen daher der Regelung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien vor.

Entweder deutsches Besteuerungsrecht trotz gewerblicher Prägung bei rein vermögensverwaltender Tätigkeit …


bb) Der Anwendungsvorrang von Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien setzt allerdings (zunächst und unbeschadet der nachfolgend anzustellenden Erwägungen) voraus, dass es sich bei den betreffenden Gewinnen aus der Veräußerung beweglichen Vermögens nicht nur aus innerstaatlicher, sondern auch aus abkommensrechtlicher Sicht um die Veräußerung von Betriebsvermögen handelt. Daran mangelt es bereits im Ausgangspunkt, wenn aus Abkommenssicht (bewegliches) Privatvermögen veräußert wird. Unter den im Streitfall in Rede stehenden Gegebenheiten ist Letzteres jedenfalls dann zu bejahen, sollte die X tatsächlich lediglich vermögensverwaltend und nicht gewerblich tätig gewesen sein. Davon gehen die Beteiligten zwar nicht aus (s. unter II.2.), es ist indes nach Aktenlage nicht von vornherein auszuschließen. Dass es sich nach Lage der Dinge bei der X nach den Maßstäben des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 um eine – durch die Y – gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt, schlösse eine bloße Vermögensverwaltung der X nicht aus; die innerstaatliche Gewerbeprägung schlägt auf die Abkommensrechtslage nicht durch. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF, Schreiben v. 24. 12. 1999, BStBl I 1999, 1076, BeckVerw 27468, Tz. 1.1.5.1, jetzt BMF v. 16. 4. 2010, BStBl I 2010, 354, BeckVerw 237484, Tz. 4.2.1) ist insoweit nicht beizupflichten. Im Einzelnen verweist der Senat dazu auf sein Urteil v. 28. 4. 2010, I R 81/09 (DStR 2010, 1220). Es ist Sache des FG, die tatsächlichen Verhältnisse weiter aufzuklären. Ggf. sind jene Gewinnanteile, welche auf die Veräußerung unbeweglichen und in Spanien belegenen Vermögens herrühren, anteilig zu ermitteln. Ansonsten gebührt das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien von vornherein Deutschland.

… oder ggf. spanisches Besteuerungsrecht im Falle originärer Gewerblichkeit, …


cc) Sollte sich hiernach jedoch bestätigen, dass die X unbeschadet der besagten innerstaatlichen Gewerbeprägung tatsächlich gewerblich tätig war, ist weiter zu prüfen, ob Art. 13 Abs. 1 und 2 DBA-Spanien der Besteuerungszuweisung in Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien aus anderen Gründen vorgeht. Das FG hat das verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Veräußerung auf Anteile an der X bezogen habe und dass X eine Personengesellschaft gewesen sei, die – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – nach spanischem Steuerrecht wie eine juristische Person behandelt wurde. Die Veräußerung von Anteilen an einer solchen nach spanischem Recht „intransparenten” Personengesellschaft unterfalle stets Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Diese Ansicht wird zwar von der deutschen Finanzverwaltung vertreten (BMF v. 28. 5. 1998, BStBl I 1998, 557, DStR 1998, 1305, zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF in BStBl I 2010, 354, BeckVerw 237484, Tz. 4.2.1 i. V. m. Tz. 4.1.3.3.2) und findet auch im Schrifttum Gefolgschaft (z. B. Herlinghaus in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 23 Spanien, Rz 15). Sie ist aber nicht unbestritten (a. A. z. B. FG Hamburg, Urteil v. 22. 8. 2006, 7 K 139/03, EFG 2007, 101, BeckRS 2006, 26022147; Lüdemann/Hruschka, IStR 2000, 25, 27) und bei summarischer Betrachtung nicht zweifelsfrei zutreffend.

… vorausgesetzt, die spanische Personengesellschaft wird steuerlich als „transparent” behandelt


Denn Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Spanien greift im Streitfall nur dann nicht ein, wenn X den Antragstellern weder unbewegliches Vermögen i. S. des Art. 6 DBA-Spanien noch eine in Spanien belegene Betriebstätte vermittelt hat. Letzteres hat das FG mit der Begründung angenommen, dass sowohl ein vorhandenes unbewegliches Vermögen als auch eine etwa in der Hotelanlage belegene Betriebstätte abkommensrechtlich nicht den Antragstellern, sondern der X zuzuordnen sei. Diese sei selbst „Person” i. S. des Art. 1 DBA-Spanien und als solche abkommensberechtigt, so dass die Veräußerung der Anteile an der X wie eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Diese Beurteilung begegnet ernstlichen Zweifeln, da die Einstufung der X als „Person” von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien abhängt und diese Vorschrift in dem hier maßgeblichen Punkt nicht eindeutig ist.

Zweifel an der Maßgeblichkeit deutschen oder spanischen Steuerrechts


aaa) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien umfasst der Begriff „Person” natürliche Personen und Gesellschaften. Als „Gesellschaft” bezeichnet das DBA-Spanien eine juristische Person oder einen anderen Rechtsträger, der für die Besteuerung wie eine juristische Person behandelt wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien). Diese Definitionen sind für die Auslegung des DBA-Spanien bindend. Streitig ist aber, ob bei der Frage nach dem Vorliegen einer „juristischen Person” oder eines „wie eine juristische Person besteuerten Rechtsträgers” für Zwecke der deutschen Besteuerung stets auf das deutsche Recht (so z. B. Senatsurteil v. 20. 8. 2008, I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263, DStR 2008, 2151 zum Abkommen mit den USA; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 3 MA Rz 18; Gaffron in Haase, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 MA Rz 25; Rosenthal, IStR 2007, 610, 611; ebenso wohl FG Hamburg, Urteil in EFG 2007, 101, BeckRS 2006, 26022147; Suchanek, IStR 2007, 654, 655 f.) oder ggf. auf das Recht des anderen Vertragstaates abzustellen ist (so. z. B. Reimer in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 13 Rz 83; Wilke in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 3 OECD-MA Rz 14; Strunk/Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 3 OECD-MA Rz 15; vgl. auch Schaumburg, IStR, 2. Aufl., Rz 16 171, m. w. N.). Zur Auslegung des – insoweit mit Art. 3 DBA-Spanien vergleichbaren – Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) folgt der dazu ergangene einschlägige Kommentar (OECD-MustKomm) der zuletzt genannten Ansicht (OECD-MustKomm Nr. 3 zu Art. 3). Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen. Der Senat hält jedoch angesichts des Umstands, dass Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien zur Auslegung von im Abkommen nicht definierten Ausdrücken, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, auf das Recht des Rechtsanwenderstaates verweist, die erstgenannte Deutung (auch) im Hinblick auf dieses Abkommen für nicht von vornherein fernliegend.

Abgrenzungsüberlegungen zu Art. 10 Abs. 4 Satz 2 DBA-Spanien


bbb) Dagegen spricht nicht, dass Art. 10 Abs. 4 Satz 2 DBA-Spanien die von einer Sociedad de Personas – also einer spanischen Personengesellschaft – an ihre Gesellschafter ausgeschütteten Gewinne den Dividenden zuordnet. Darin kommt zwar zum Ausdruck, dass das Abkommensrecht sich insoweit an der Behandlung jener Gesellschaften im spanischen Steuerrecht orientiert. Es ist aber offen, ob diese Regelung klarstellender Natur ist oder ob sie im Gegenteil von der Annahme ausgeht, dass ohne eine solche Sonderbestimmung die dort behandelten Ausschüttungen in Deutschland – dem System des deutschen Einkommensteuerrechts entsprechend – als Entnahmen und folglich nicht als Dividenden zu behandeln wären. Letzterenfalls könnte die Vorschrift sogar als Beleg dafür herangezogen werden, dass für Zwecke der Besteuerung in Deutschland die Frage der „Besteuerung wie eine juristische Person” i. S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien ausschließlich nach deutschem Steuerrecht zu beantworten, eine spanische Personengesellschaft also unabhängig von ihrer steuerrechtlichen Behandlung in Spanien nicht als „Gesellschaft” anzusehen ist. Daher muss diese Frage bei summarischer Prüfung als offen angesehen werden.

Zweifel an der Existenz unbeweglichen Vermögens oder einer Betriebsstätte in Spanien


dd) Richtet sich im Streitfall die abkommensrechtliche Behandlung nach den Maßstäben des deutschen Steuerrechts, so ist im Hinblick auf die Anwendung des Art. 13 DBA-Spanien maßgeblich, dass in Deutschland Personengesellschaften nicht nach den für juristische Personen geltenden Regeln besteuert werden.


Das deutsche Recht geht vielmehr davon aus, dass die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte stets deren Gesellschaftern zuzurechnen und bei diesen zu besteuern sind. Das hat abkommensrechtlich zur Folge, dass sowohl ein von einer Personengesellschaft betriebenes Unternehmen als auch die Betriebstätten eines solchen Unternehmens unmittelbar den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugeordnet werden (vgl. Senatsurteile v. 18. 12. 2002, I R 92/01, BFHE 201, 447, DStRE 2003, 808; v. 17. 10. 2007, I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, DStRE 2008, 477; in BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263, DStR 2008, 2151, m. w. N.).


Daraus würde zunächst folgen, dass das von X betriebene Unternehmen für die Beurteilung des Streitfalls als deutsches Unternehmen i. S. des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien anzusehen wäre. Denn dann wären die in Rede stehenden Gewinne aus abkommensrechtlicher Sicht von einem Unternehmen erzielt worden, das von den im Inland ansässigen Antragstellern betrieben wurde, und nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien richtet sich die territoriale Zuordnung eines Unternehmens nach der Ansässigkeit der das Unternehmen betreibenden Person. Das Besteuerungsrecht Spaniens hinge dann davon ab, ob und inwieweit die veräußerten Anteile an der X entweder in Spanien belegenes unbewegliches Vermögen (Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien) oder Betriebsvermögen einer in Spanien unterhaltenen Betriebstätte (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien) verkörperten. Das kann im summarischen Verfahren wiederum nicht abschließend beurteilt werden.

Erbbaurecht als unbewegliches Vermögen?


aaa) Zunächst ist aufklärungsbedürftig, inwieweit der bei der Veräußerung der Anteile erzielte Kaufpreis auf den Wert eines in Spanien belegenen unbeweglichen Vermögens entfällt. Das unbewegliche Vermögen der X bestand nach Aktenlage ursprünglich in einem von Y eingeräumten Erbbaurecht. Dieses Erbbaurecht war aber im Jahre 1988 bestellt und dabei auf 15 Jahre befristet worden; es könnte daher im Zeitpunkt der Veräußerung abgelaufen gewesen sein oder zumindest kurz vor dem Ablauf gestanden haben. Das wiederum lässt unklar erscheinen, ob die Anteile an der X im Zeitpunkt ihrer Veräußerung unbewegliches Vermögen i. S. des Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien repräsentiert haben. Dies aber wäre Voraussetzung dafür, dass die Veräußerung als „Veräußerung unbeweglichen Vermögens” im Sinne jener Vorschrift angesehen werden könnte.

Existenz einer Betriebsstätte in Spanien?


bbb) In Hinblick auf die Anwendung des Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien ist zwischen den Beteiligten streitig, ob im Zusammenhang mit dem Betrieb der X in Spanien eine Betriebstätte unterhalten worden ist, der ein veräußertes bewegliches Vermögen zugeordnet werden könnte. Insoweit hat das FA zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die von X errichtete Hotelanlage verpachtet war und dass ein verpachteter Betrieb regelmäßig nicht als Betriebstätte des Verpächters angesehen werden kann (Senatsurteil v. 13. 6. 2006, I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, DStRE 2006, 1555, m. w. N.). Ferner ist dem FA dahin zu folgen, dass bei summarischer Beurteilung zwar die von X in der Hotelanlage betriebene Boutique aus abkommensrechtlicher Sicht eine Betriebstätte der Antragsteller darstellte, dieser Betriebstätte aber zweifelsfrei nicht das gesamte Vermögen der X zuzurechnen ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich in der verpachteten Anlage eine weitere den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand und dass die veräußerten beweglichen Vermögenswerte dieser Betriebstätte als „Betriebsvermögen” i. S. des Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien zuzuordnen sind.

Begriff der Betriebsstätte


aaaa) Der Begriff „Betriebstätte” wird für Zwecke des DBA-Spanien in Art. 5 DBA-Spanien definiert. Danach umfasst er u. a. einen Ort der Leitung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien). Dieser liegt dort, wo eine das Unternehmen leitende Person Leitungsaufgaben wahrnimmt und in diesem Zusammenhang Entscheidungen von einigem Gewicht trifft (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 5 MA Rz 67). Im Streitfall ist in tatsächlicher Hinsicht unklar, ob sich in Spanien ein solcher Ort befunden hat.


Die Antragsteller haben dazu vorgetragen, dass in der Hotelanlage ein der X vorbehaltenes Büro vorhanden war und dass dieses Büro für Zwecke der Leitung der X genutzt wurde. Sie haben ferner behauptet, dass der Antragsteller und ein weiterer Gesellschafter der X anstehende Entscheidungen im Zusammenhang mit der Hotelanlage stets vor Ort getroffen haben. Das FA hat diese Angabe zwar in Zweifel gezogen. Die insoweit maßgeblichen Umstände können aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht näher aufgeklärt werden. Zudem hat das FG ausdrücklich unterstellt, dass sich in Spanien eine den Antragstellern zuzurechnende Betriebstätte befand; dem Gesamtzusammenhang seiner Entscheidung ist zu entnehmen, dass es damit nicht die von X betriebene Boutique, sondern einen Leitungsort gemeint hat. Daher geht der Senat im vorliegenden Verfahren davon aus, dass in Spanien ein solcher Leitungsort vorhanden war. Ob die genannten Angaben der Antragsteller zutreffen, welche Aufgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb der X ggf. in Spanien wahrgenommen wurden und was daraus für die Zuordnung des Betriebsvermögens folgt, wird im Verfahren zur Hauptsache aufgeklärt und entschieden werden müssen.

Zurechnung des Betriebsvermögens zu einer möglichen spanischen Betriebsstätte


bbbb) Im Streitfall ist daher zu Gunsten der Antragsteller davon auszugehen, dass der hier angenommene Betrieb der X insgesamt in Spanien geleitet worden ist und dass sich außerhalb Spaniens keine weitere Betriebstätte der X befunden hat. Unter dieser Voraussetzung liegt einerseits die Annahme nahe, dass das gesamte Betriebsvermögen der X abkommensrechtlich einer in Spanien belegenen Betriebstätte der Antragsteller zuzuordnen ist. Das würde wiederum dazu führen, dass der Gewinn aus der Veräußerung des beweglichen Betriebsvermögens gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien insgesamt in Spanien besteuert werden dürfte.

Beschränkung der möglichen Steuerfreistellung durch Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien?


c) Eine sich daraus ergebende Befreiung des Gewinns von der deutschen Steuer (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien) würde nicht notwendig durch Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien ausgeschlossen oder beschränkt. Zum einen bezieht sich Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Spanien lediglich auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und aus diesem Vermögen selbst und damit auf Einkünfte gemäß Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien, Veräußerungsgewinne gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien werden hingegen nicht in Bezug genommen (vgl. Senatsurteil v. 19. 5. 1982, I R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768, BeckRS 1982, 22006147; FG Münster, Urteil v. 16. 2. 2009, 9 K 463/04 K,F, BeckRS 2009, 26027163; Herlinghaus in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 23 Spanien, Rz 25; Suchanek, IStR 2007, 654, 657; Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2010, Rz 7.73; Mensching/Tyarks, daselbst, Rz 10.14; anders OFD Frankfurt, Verfügung v. 15. 3. 2001, BB 2001, 869; OFD Münster, Verfügung v. 29. 11. 1999, S 1301 – 35 – St 22-34, DStR 2000, 522). Zum anderen nimmt die Vorschrift unbewegliches Vermögen, das zu einer in Spanien gelegenen Betriebstätte gehört, von der dort vorgesehenen Steueranrechnung aus; soweit es um in Spanien zu besteuernde Betriebstätteneinkünfte geht, bleibt es mithin auch im Bereich des unbeweglichen Vermögens bei der Steuerbefreiung nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien. Um solche Einkünfte würde es indessen im Streitfall zumindest dann gehen, wenn sich in Spanien die einzige Betriebstätte der Antragsteller im Zusammenhang mit dem Betrieb der X befunden hätte.

Beschränkung durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG n. F.?


4. Im Ergebnis geht der Senat mithin davon aus, dass die von den Antragstellern erzielten Veräußerungsgewinne möglicherweise nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien von der deutschen Steuer freizustellen sind. Vorausgesetzt, die X war eigengewerblich und nicht lediglich vermögensverwaltend tätig, rechtfertigt das die beantragte AdV. Dem steht § 50d Abs. 9 i. d. F. des JStG 2007, BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28 – EStG 2002 n. F. – nicht entgegen.

Zwar negativer Qualifikationskonflikt im Sinne dieser Vorschrift, …


a) Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. wird eine in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehene Steuerbefreiung nicht gewährt, wenn der andere Vertragstaat das Abkommen so anwendet, dass die in diesem Staat erzielten Einkünfte von der dortigen Besteuerung auszunehmen sind. Diese Situation liegt im Streitfall vor. Denn da das spanische Steuerrecht Personengesellschaften nach Art der X wie Kapitalgesellschaften behandelt, unterliegen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer solchen Gesellschaft aus der Sicht Spaniens grundsätzlich Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien. Anderes gilt allenfalls dann, wenn die Anteile ihrerseits zu einer in Spanien belegenen Betriebstätte eines weiteren Unternehmens gehören; um einen solchen Sachverhalt geht es im Streitfall nicht. In der hier gegebenen Situation weist das DBA-Spanien deshalb nach dem Verständnis Spaniens das Besteuerungsrecht ausschließlich der Bundesrepublik Deutschland zu. Dementsprechend sind denn auch im Streitfall die Gewinne der Antragsteller aus der Veräußerung der Anteile an der X in Spanien nicht besteuert worden. Das FA macht deshalb zu Recht geltend, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. genannte Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist.

… jedoch (womöglich) verfassungswidrige „echte” Rückwirkung

b) Indessen ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. erst durch das JStG 2007 geschaffen worden. Dieses Gesetz ist am 14. 12. 2006 – und damit nach dem Ende des Streitjahres – in Kraft getreten (Art. 20 Abs. 1 JStG 2007). Nach § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n. F. ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. zwar für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Es ist aber ernstlich zweifelhaft, ob die hiernach vorgesehene Anwendung der Neuregelung auf den Streitfall mit dem GG vereinbar ist.


aa) Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Insbesondere ist eine steuerbegründende oder steuererhöhende Bestimmung in der Regel mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, wenn und soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war (BVerfG-Entscheidung v. 19. 12. 1961, 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, NJW 1962, 291). Das gilt auch im Zusammenhang mit Rechtsänderungen im Bereich der DBA (BVerfG-Beschlüsse v. 10. 3. 1971, 2 BvL 3/68, BStBl II 1973, 431; v. 14. 5. 1986, 2 BvL 2/83, BStBl II 1986, 628, BVerfGE 72, 200, NJW 1987, 1749).


bb) § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n. F. entfaltet, soweit er eine Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG 2002 n. F. für das Streitjahr anordnet, möglicherweise eine „echte” Rückwirkung in diesem Sinne. Diese könnte darin bestehen, dass die Regelung mit Wirkung für abgelaufene Veranlagungszeiträume eine Steuerbefreiung ausschließt, die sich vor ihrer Geltung u. a. aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien ergab.

Zweifel gegenüber einer angeblich nur klarstellenden Wirkung der Neuregelung


aaa) Ausweislich der Gesetzesmaterialien hat der Gesetzgeber allerdings angenommen, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. getroffene Regelung klarstellender Natur sei (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs 16/2712, S. 61). Er ist mithin davon ausgegangen, dass jene Regelung nur verdeutliche, was ohnehin aus den einzelnen DBA abzuleiten sei. Dies entspricht dem Verständnis des OECD-Musterkommentars, der die in den DBA verwendete Formulierung „nach diesem Abkommen besteuert werden können” nicht allein auf die Auslegung des jeweiligen Abkommens durch den Rechtsanwenderstaat bezieht, sondern darüber hinaus die Sicht des jeweils anderen Vertragstaates berücksichtigt (OECD-MustKomm Nr. 32.1 ff. zu Art. 23). Nach diesem Regelungsverständnis soll namentlich dann, wenn beide Vertragstaaten einen bestimmten Abkommensbegriff auf Grund unterschiedlicher systematischer Vorverständnisse unterschiedlich auslegen und deshalb im Ausgangspunkt sich keiner von beiden für steuerberechtigt hält („negativer Qualifikationskonflikt”), der betreffende Vorgang nicht „nach dem Abkommen besteuert werden können” und mithin eine an diese Voraussetzung geknüpfte Steuerbefreiung ausscheiden (OECD-MustKomm Nr. 32.6 zu Art. 23). Folgt man dem, so stellt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. nur die unmittelbar in den entsprechenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verankerte Rechtslage klar (so z. B. Vogel, IStR 2007, 225, 228; Thiel in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Herzig, 2010, S. 1023). Das gilt auch im Hinblick auf Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Spanien.

Verstoß gegen das „Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung”


bbb) Eine solche Sicht der Dinge begegnet indessen bei summarischer Betrachtung ernstlichen Zweifeln. Denn in der Zeit vor der Geltung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. sind Rechtsprechung und Schrifttum stets davon ausgegangen, dass eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung regelmäßig auch dann eingreift, wenn die in Deutschland freigestellten Einkünfte im anderen Vertragstaat nicht besteuert werden. Es sollte insoweit ein „Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung” gelten (Senatsurteile v. 14. 12. 1988, I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II 1989, 319, BeckRS 1988, 22008802; v. 17. 12. 2003, I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260, DStRE 2004, 464; Schaumburg, a. a. O., Rz 16 534). Vor diesem Hintergrund stellt sich nunmehr die Frage, ob dieser Grundsatz u. a. die hier in Rede stehende Situation des (negativen) Qualifikationskonflikts erfasst oder ob er nur dann eingreift, wenn der andere Vertragstaat aus anderen als abkommensrechtlichen Gründen von einer Besteuerung absieht. Nimmt man Ersteres an, so führt die in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n. F. getroffene Anwendungsregelung zu einer „echten” Rückwirkung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F.

Folge: nicht klarstellend, sondern rechtsändernd


Im Schrifttum ist die damit angesprochene Frage streitig. Das u. a. im OECD-Musterkommentar vertretene Verständnis des Ausdrucks „nach diesem Abkommen besteuert werden können” wird von zahlreichen Stimmen angezweifelt (z. B. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 235 ff.; Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 50d Rz 41; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 1 MA Rz 28g; M. Lang, IStR 2007, 606, 608; vgl. auch ders., IStR 2010, 114). Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass die im Jahr 2000 veröffentlichte Passage des OECD-Musterkommentars (Nr. 32.6 zu Art. 23 OECD-MustAbk) jedenfalls nicht für die „dynamische” Auslegung von schon zuvor in Kraft getretenen DBA maßgeblich sei (z. B. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 23A MA Rz 46; ders., IStR 2007, 413, 414; Gosch in Schaumburg/Piltz [Hrsg.], Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 103, 117; ders. in Kirchhof, a. a. O., § 50d Rz 41). Vor diesem Hintergrund ist die Annahme verbreitet, dass die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n. F. getroffene Regelung rechtsändernd wirke (so z. B. Suchanek/Herbst, FR 2006, 1112, 1118; Rosenthal, IStR 2007, 610, 612; Gosch in Kirchhof, a. a. O., § 50d Rz 40; Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 50d Abs. 9 EStG Rz 33; zweifelnd auch Loschelder in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., § 50d Rz 56) und eine rückwirkende Anwendung daher aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig sei (Gosch, IStR 2008, 413, 416).

Möglicher Verfassungsverstoß durch sog. Treaty override


ccc) Unabhängig davon ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ernstlich zu bezweifeln, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die nicht nur durch Art. 20 Abs. 3 GG, sondern auch durch den prinzipiellen Vorrang des Völkervertragsrechts vor „einfachem” Recht zu verlangen sind, uneingeschränkt gerecht wird. Denn aufgrund des vorstehend unter II.4.b bb aaa beschriebenen Abkommensverständnisses spricht manches dafür, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. unilateral und konstitutiv die mit Spanien in Art. 23 Abs. 1 DBA-Spanien vereinbarte Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mittels „virtueller” Freistellung (als sog. treaty override) „überschreibt”. Das mag prinzipiell in Einklang damit stehen, dass sowohl das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung infolge dessen Transformation in nationales Recht (vgl. im Hinblick auf das DBA-Spanien: Zustimmungsgesetz v. 16. 1. 1968, BGBl II 1968, 9) als auch das Einkommensteuergesetz in der Normenhierarchie gleichrangig auf derselben Stufe stehen (vgl. z. B. Senatsurteil v. 13. 7. 1994, I R 120/93, BFHE 175, 351, BStBl II 1995, 129, DStR 1995, 175). Es fragt sich indessen, ob nicht gleichwohl abkommensrechtlich und verfassungsrechtlich durchschlagende Gründe dafür ersichtlich sein müssen, die die Durchbrechung der völkerrechtlich verbindlich getroffenen Vereinbarungen (Art. 59 Abs. 2 GG) erzwingen und (ausnahmsweise) rechtfertigen können (vgl. jeweils m. w. N. z. B. Vogel in Vogel/Lehner, a. a. O., Einl. Rz 193 ff.; Gosch, IStR 2008, 413).

AdV trotz öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des Gesetzes


ddd) Die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n. F. kann im summarischen Verfahren nicht abschließend vorgenommen werden. Gegen einen lediglich klarstellenden Charakter der Vorschrift könnte u. a. sprechen, dass die für die Steuerfreistellung maßgebliche Regelung im OECD-Musterabkommen im Jahr 2000 um eine ausdrückliche Bestimmung (Art. 23A Abs. 4 OECD-MustAbk) ergänzt worden ist, die inhaltlich § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. entspricht; das könnte darauf hindeuten, dass es nach den allgemeinen Grundsätzen der Abkommensauslegung einer solchen positiven Bestimmung bedarf, wenn ein negativer Qualifikationskonflikt zu einem ansonsten nicht bestehenden Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates führen soll. Nicht zuletzt deshalb sind die im Schrifttum geäußerten Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. so gewichtig, dass deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit ernstlich zweifelhaft erscheint. Damit erscheint gleichermaßen zweifelhaft, ob diese Vorschrift im Streitfall berücksichtigt werden kann. Sie kann daher die aus abkommensrechtlichen Gründen gebotene AdV nicht hindern; nach den Umständen des Einzelfalles kommt dem Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zu (vgl. zu diesem Abwägungsmaßstab zuletzt BFH, Beschluss v. 1. 4. 2010, II B 168/09, DStR 2010, 749, m. w. N.).

Vergleichbares Ergebnis mit vergleichbaren Zweifeln im Hinblick auf die zusätzliche Kapitalbeteiligung in Spanien


5. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Y. Denn nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass erstens die Antragsteller nicht nur an X, sondern auch an Y beteiligt waren und dass zweitens Y sich auf die Leitung der X beschränkt und keinen eigenen operativen Geschäftsbetrieb unterhalten hat. Bei einem solchen Sachverhalt gehören nach deutschem Steuerrecht die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft (Y) zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters der Personengesellschaft (X). Das wiederum hat nach der Rechtsprechung des Senats zur Folge, dass die Beteiligung abkommensrechtlich einer durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebstätte des Gesellschafters zuzurechnen ist (Senatsurteil v. 13. 2. 2008, I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414, DStR 2008, 1025; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr, a. a. O., Art. 13 OECD-MA Rz 80, jeweils m. w. N.). Dieser Grundsatz muss möglicherweise auch im Streitfall gelten. Daraus würde wiederum folgen, dass die Anteile der Antragsteller an der Y einer in Spanien belegenen Betriebstätte zuzuordnen sind und die Gewinne aus ihrer Veräußerung daher gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i. V. m. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 DBA-Spanien in Deutschland nicht besteuert werden dürfen. Bis zur abschließenden Klärung dieser Frage ist auch insoweit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids als ernstlich zweifelhaft anzusehen und deshalb seine Vollziehung auszusetzen.


Auch insoweit muss der Sachverhalt – vorausgesetzt, X ist tatsächlich einer gewerblichen Betätigung nachgegangen – weiter aufgeklärt werden. Andernfalls greift abermals die Besteuerungszuordnung des Art. 13 Abs. 3 DBA-Spanien.

Konsequenz: Erfordernis weiterer Sachaufklärung


6. Der Beschluss der Vorinstanz, die verschiedentlich abweichende Rechtsauffassungen vertreten hat, ist aufzuheben. Es bedarf für eine abschließende Entscheidung aus den ausgeführten Gründen umfangreicher weiterer Sachaufklärung, insbesondere zu der vorrangig zu prüfenden Frage danach, ob die X tatsächlich gewerblich oder aber nur vermögensverwaltend tätig war. Davon hängt die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schon im weichenstellenden Ausgangspunkt ab. Der Senat hält es angesichts dessen für sachgerecht, die Sache an das FG zurückzuverweisen (zur Zurückverweisung im Verfahren auf AdV s. z. B. Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 309; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz 998 ff., jeweils m. w. N.).

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