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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt
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Ausländische Betriebsstättenverluste

Ausländische Betriebsstättenverluste können allenfalls dann in Deutschland geltend gemacht werden, wenn diese im anderen Staat (hier: Frankreich) auf keine Art und Weise geltend gemacht werden können. Werden die Verluste im anderen Staat nur teilweise berücksichtigt, entfällt eine Berücksichtigung in der Bundesrepublik Deutschland.

BFH, Urteil vom 9. 6. 2010 – I R 100/09

EG Art. 43, Art. 48; AEUV Art. 49, Art. 54; DBA-Frankreich Art. 2 Abs. 1 Nr. 7, Art. 4 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a

FG Düsseldorf 8. 9. 2009 6 K 308/04 K

Sachverhalt:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Kl.), eine Holding-GmbH, war im Streitjahr 1999 organschaftlich mit der K-GmbH verbunden. Die K-GmbH unterhielt (u. a.) eine Betriebsstätte in Frankreich, die im Streitjahr einen Verlust erwirtschaftet hatte. Die Kl. macht geltend, dieser Verlust sei in Frankreich teilweise „definitiv” geworden; er sei deswegen nach Maßgabe des Senatsurteils v. 17. 7. 2008, I R 84/04 (BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630, DStR 2008, 1869) und im Einklang mit der gemeinschaftlichen Rechtslage im Streitjahr von der deutschen Bemessungsgrundlage abzuziehen: Das französische Steuerrecht ermögliche lediglich einen auf fünf Jahre vortragsfähigen Verlustabzug. Infolgedessen hätte der im Streitjahr entstandene Verlust der Betriebsstätte nur zu einem geringen Teil im Jahre 2004 verrechnet werden können und sei der überwiegende Teil bei der endgültigen Einstellung der Betriebsstättentätigkeit im Jahre 2005 untergegangen. Im Einzelnen berechnet die Kl. den hiernach bis 2004 nicht mehr verrechenbaren und in 2005 „definitiv” gewordenen Verlust aus dem Streitjahr – insoweit vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) unbeanstandet – nach Maßgabe der französischen Gewinnermittlungsvorschriften mit 45 281,40 € und nach Maßgabe der deutschen Gewinnermittlungsvorschriften mit 57 899,50 €; der letztere Betrag sei bei der K-GmbH und damit im Ergebnis bei ihr, der Kl., als Organträgerin im Streitjahr zu berücksichtigen.

Das FA lehnte dies ab. Auch mit der anschließenden Klage hatte die Kl. keinen Erfolg (FG Düsseldorf v. 8. 9. 2009, 6 K 308/04 K, EFG 2010, 389).

Ihre Revision stützt die Kl. auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1999 dahin zu ändern, dass der Betriebsstättenverlust i. H. von 57 899 € abgezogen wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene BMF hat sich in der Sache dem FA angeschlossen (vgl. auch BMF-Schrb. v. 13. 7. 2009, IV B 5 – S 2118-a/07/10004, BStBl I 2009, 835, DStR 2009, 1585), jedoch keine Anträge gestellt.

Gründe:

II. Die Revision ist unbegründet.

DBA-Freistellung der französischen Betriebsstätteneinkünfte im Inland

1. Die im Inland ansässige und hier mit ihren sämtlichen Einkünften (vgl. § 1 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 KStG) unbeschränkt steuerpflichtige K-GmbH erwirtschaftete aus ihrer in Frankreich belegenen Betriebsstätte im Streitjahr Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen i. S. von Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern – DBA-Frankreich – (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) in der im Streitjahr gültigen Fassung. Die Einkünfte aus dieser Betriebsstätte können gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden und sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich).

Bestätigung des sog. Symmetriethese

2. Da sich der Begriff der Betriebsstätteneinkünfte auf einen Nettobetrag bezieht, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind; das gilt auch für die mit Frankreich vereinbarte Abkommenslage. Auf das Senatsurteil in BFHE 222, 398, BStBl II 2009, 630, DStR 2008, 1869, und die dort (für die parallele Abkommenslage mit Luxemburg) gegebenen weiteren Nachweise wird verwiesen. Die insoweit anzustellende Einkünfteermittlung richtet sich nach deutschem Recht, und zwar auch dann, wenn die in Rede stehenden negativen Einkünfte sich hiernach – wie im Streitfall – auf einen höheren Betrag belaufen als nach Maßgabe des ausländischen (hier des französischen) Steuerrechts.

Kein ausnahmsweiser Abzug der Auslandsverluste aufgrund Gemeinschaftsrecht …

3. Fraglich und unter den Beteiligten streitig ist jedoch, ob die Verluste, die die K-GmbH mit ihrer französischen Betriebsstätte im Streitjahr erwirtschaftet hat, gleichwohl in diesem Jahr in Deutschland bei der Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1, §§ 14 ff. KStG 1999) zu berücksichtigen sind, weil sie sich in Frankreich weder in diesem Jahr noch in den Folgejahren ausgewirkt haben. Das ist mit dem FG und in Einklang mit der Gemeinschaftsrechtslage – hier bei der in Art. 43 i. V. m. Art. 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG), sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (ABlEG 1997, Nr. C-340, 1), jetzt Art. 49 i. V. m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) i. d. F. des Vertrages von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABlEU 2007, Nr. C 306/01), verbürgten freien Wahl der Niederlassung – sowie der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schrb. in BStBl I 2009, 835, DStR 2009, 1585) zu verneinen.

… bei rechtlichen Verlustabzugsbeschränkungen im Quellenstaat

a) Wie der Gerichtshof der Europäischen Union, ehemals Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), durch Urteil v. 15. 5. 2008, C-414/06, Lidl Belgium (Slg.2008I3601, BStBl II 2009, 692, DStR 2008, 1030) entschieden hat, verstößt die so verstandene Abkommensregelung im Grundsatz dann nicht gegen die gemeinschaftlichen Grundfreiheiten, wenn die Verluste der in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können. Im Einzelnen verweist der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, zur Begründung auf das Urteil des EuGH in Slg.2008I3601, BStBl II 2009, 692, DStR 2008, 1030. Ein Abzug der (nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts ermittelten) französischen Betriebsstättenverluste im Streitjahr kommt in Einklang mit dem vorzitierten EuGH-Urteil und aufgrund des prinzipiellen Anwendungsvorrangs gemeinschaftlichen Primärrechts (und damit der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten) vor nationalem Recht sonach nur dann in Betracht, wenn die Kl. die in Frankreich für den betreffenden Besteuerungszeitraum sowie für frühere Besteuerungszeiträume vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten tatsächlich ausgeschöpft hat, ggf. durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Betriebsstätte in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat, und wenn im Streitjahr keine Möglichkeit besteht, dass die Verluste der Betriebsstätte in Frankreich für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten berücksichtigt werden. Dazu hat der EuGH in seinem Urteil v. 23. 10. 2008, C-157/07, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt (Slg.2008I8061, DStRE 2009, 556, dort Tz. 48 ff.) weiter präzisiert, dass „in Ermangelung gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten dafür zuständig bleiben, die Kriterien für die Besteuerung des Einkommens und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung gegebenenfalls im Vertragswege zu beseitigen … Diese Zuständigkeit beinhaltet auch, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein kann, die eventuell ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen, die auf eine Betriebsstätte anwendbar ist, die in diesem Staat belegen ist und zu einer im erstgenannten Staat ansässigen Gesellschaft gehört … Selbst wenn man unterstellt, dass das Zusammenwirken der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses der betreffenden Betriebsstätte mit der Besteuerung im Betriebsstättenstaat zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen kann, ist eine solche Beschränkung ausschließlich dem letztgenannten Staat zuzurechnen”, da sich die Beschränkung nicht aus der fraglichen Steuerregelung ergäbe, sondern aus der Aufteilung der Steuerhoheit durch das zwischen den beiden betreffenden Staaten abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Übertragung der Grundsätze aus dem „Wannsee”-Urteil des EuGH

Die letzteren Ausführungen hat der EuGH zwar in Zusammenhang mit einem sog. asymmetrischen Konzept des Verlustabzugs getroffen, also einem Konzept, bei welchem Verluste ausländischer Betriebsstätten ungeachtet der Nichterfassung spiegelbildlicher Gewinne im Ansässigkeitsstaat zunächst zum Abzug zugelassen werden, das aber unter dem Vorbehalt einer späteren Nachversteuerung dieser Verluste im Ausmaß nachfolgend anfallender Gewinne der ausländischen Betriebsstätte (als ehemaliger Verlustquelle). Darüber hatte der Senat in seinem Urteil v. 3. 2. 2010, I R 23/09 (DStR 2010, 918) zu entscheiden. Es ist aber kein Grund ersichtlich, jene Situation abweichend von derjenigen Situation zu behandeln, bei der der Verlustabzug in „symmetrischer” Weise von vornherein ausgespart bleibt. Hier wie dort bleibt es dabei und entspricht es dem gegenwärtigen Stand der Steuerharmonisierung, jedem Mitgliedstaat die Freiheit zu belassen, die ihm abkommensrechtlich zugewiesenen Einkünfte nach Maßgabe seines nationalen Steuerrechts (in gleichheitsgerechter Weise) vorzunehmen. Zu dieser Steuerhoheit gehört es auch, den Verlustabzug – sei es durch eine zeitliche Befristung des Verlustvortrags, sei es durch ähnliche Maßnahmen – zu beschränken. Es ist dann hier wie dort aber nicht dem Ansässigkeitsstaat zu überantworten, dadurch endgültig unberücksichtigt bleibende Verlustvorträge durch den Abzug jener Verluste auszugleichen (im Anschluss an das EuGH-Urteil in Slg.2008I8061, DStRE 2009, 556; im Ergebnis ebenso z. B. Cordewener, Internationale Wirtschafts-Briefe Fach 11, Gruppe 2, 989; Gosch, in: Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 2a Rz. 5; ders., BFH/PR 2009, 16, und 2010, 274; Lamprecht, IStR 2008, 766; Schulz-Trieglaff, Steuern und Bilanzen 2009, 260, 263; Herkenroth/Striegel, in: H/H/R, EStG, § 2a Rz. 10; Wagner, Der Konzern2009235240; Lühn, BB 2009, 90, 92; Lavrelashvili/Müller, Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht 2009, 164, 167; Köhler, in: Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, 2010, S. 953 ff., 960, 979 f.; s. auch BFH in DStR 2010, 918; anders z. B. Haslehner, StuW International 2008, 561; Hohenwarter, Verlustverwertung im Konzern, 2010, S. 327 f.; Knipping, IStR 2009, 275; Breuninger/Ernst, DStR 2009, 1981; Ditz/Plansky, DB 2009, 1669, 1671; s. auch FG Hamburg v. 18. 11. 2009, 6 K 147/08, IStR 2010, 109, BeckRS 2009, 26028085; zweifelnd Jü. Lüdicke/Braunagel, in: Lüdicke/Kempf/Brink [Hrsg.], Verluste im Steuerrecht, 2010, S. 181 f.); das entspricht insoweit auch der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schrb. in BStBl I 2009, 835, DStR 2009, 1585; Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung v. 19. 2. 2010, S 1366.1.1-3/10 St32, DStR 2010, 444).

Folge: Keine „Verlustfinalität” im Sinne des Gemeinschaftsrechts

b) Für den Streitfall bedeutet dies, dass die in Rede stehenden Verluste der französischen Betriebsstätte aufgrund der abkommensrechtlich vereinbarten „Symmetrie” der Einkünfteabgrenzung zwischen Deutschland und Frankreich in Deutschland nicht zu berücksichtigen sind. Ob ein anderes Ergebnis geboten wäre, wenn die Verluste (nur) infolge der Aufgabe der Betriebsstätte in Frankreich im Jahre 2005 „endgültig” geworden wären, braucht nicht entschieden zu werden; die im Streitjahr entstandenen Verluste sind nach den insoweit bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen der Vorinstanz nicht wegen der Einstellung der Betriebsstättentätigkeit in Frankreich im Jahre 2005 „endgültig” geworden, sondern deswegen, weil das französische Steuerrecht einen auf fünf Jahre begrenzten Verlustvortrag vorsah und dieser Zeitraum für die Verluste aus 1999 spätestens im Jahre 2004, also bereits vor der Aufgabe der Betriebsstätte, abgelaufen war. Prinzipiell stand der K-GmbH der Verlustabzug also in anderen Jahren als dem Verlustjahr zu, er verbot sich lediglich konkret aus Gründen der verwirklichten Gegebenheiten des Einzelfalles.

Es bedarf in Anbetracht dieser Sachlage gleichermaßen keiner Entscheidung darüber, in welchem Jahr – dem Verlustentstehungsjahr oder aber demjenigen Jahr, in dem die besagten Verluste „endgültig” werden – ein etwaiger Verlustabzug im Ansässigkeitsstaat ermöglicht werden muss. Ebenfalls mag dahinstehen, ob ein etwaiger verbleibender Vortrag des ausländischen Betriebsstättenverlustes in die Feststellung nach Maßgabe des § 10d Abs. 4 EStG 1997 i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1999 einzubeziehen wäre (vgl. dazu – allerdings für die Konstellation von Auslandsverlusten eines in Deutschland weder unbeschränkt noch beschränkt Steuerpflichtigen – BFH v. 24. 2. 2010, IX R 57/09, DStR 2010, 693).

Keine erneute Anrufung des EuGH

c) Der Senat erachtet die aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage auch (s. bereits BFH in DStR 2010, 918) für diejenige Konstellation, um die es im Streitfall geht, in Anbetracht der zitierten Ausführungen des EuGH als eindeutig. Einer (abermaligen) Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH v. 6. 10. 1982, 283/81, C.I.L.F.I.T., EuGHE19823415, BeckRS 2004, 72919).


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