Sondervergütungen eines ehemaligen Gesellschafters einer Personengesellschaft
Nachträgliche Einnahmen eines ehemaligen Gesellschafters einer deutschen Personengesellschaft sind nach DBA-Recht nicht als Unternehmensgewinne sondern, vorliegend, als Ruhegehälter zu qualifizieren und damit im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung zu unterwerfen.
Bei der Anwendung des §50d X EStG durch die Finanzbehörden, insbesondere bei Betriebsprüfungen, ist Vorsicht geboten und es sollte durch den Berater ganz genau geprüft werden, ob die engen Voraussetzungen die der BFH aufgestellt hat, vorliegen.
BFH, Urteil vom 07.12.2011 – I R 5/11
Vorinstanz: Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. 12. 2010 Az.: 13 K 1214/06
§ 180 AO; § 49 I EStG; § 50d X EStG
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Er verfügte im Streitjahr 1999 über einen Wohnsitz in den USA. Während seiner Aufenthalte im Inland nutzte er eine hier belegene, im Eigentum seiner Ehefrau stehende Wohnung.
Der Kläger war von 1981 bis zum 9. Juni 1998 persönlich haftender Gesellschafter zunächst einer inländischen KG, sodann –nach Umwandlung der KG im Juni 1985– einer KGaA. Nach seinem Ausscheiden als persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter übernahm er ein Aufsichtsratsmandat bei der KGaA. Im Streitjahr erhielt er aufgrund einer zunächst in 1981 und 1983 geschlossenen Vereinbarung sowie einer am 18. Februar 1986 geschlossenen Nachtragsvereinbarung (sowie weiterer Nachtragsvereinbarungen aus den Jahren 1987 und 1997) für seine Tätigkeit in der KGaA eine Pension von 1.042.344 DM. Diese setzte sich aus dem „Ruhegehalt“ in Höhe von 528.000 DM und der „Auszahlung der Altersrente“ im Streitjahr in Höhe von 514.344 DM zusammen.
Im Rahmen seiner beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) abgegebenen Einkommensteuererklärung zur beschränkten Steuerpflicht machte der Kläger geltend, dass eine Steuerpflicht der –nach deutschem Steuerrecht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) anzusehenden– Pensionszahlung nicht bestehe. Es handele sich um Ruhegelder i.S. von Art. 18 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (DBA-USA 1989 a.F.), für die das Besteuerungsrecht den USA zustehe. Das FA folgte dem nicht. Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger eine Einkommensteuererklärung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ein, in der er nunmehr –wie schon zuvor das FA– davon ausging, dass er aufgrund eines Wohnsitzes in Deutschland auch dort ansässig gewesen sei. Die doppelte Ansässigkeit in den USA und in Deutschland sei jedoch gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA 1989 a.F. dahingehend aufzulösen, dass eine vorrangige Ansässigkeit in den USA bestehe, da dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gelegen habe.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wurde abgewiesen. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Dezember 2010 13 K 1214/06 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 878 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer 1999 ohne die von der KGaA geleisteten Pensionszahlungen von 1.042.344 DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Steuerfestsetzung. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass das Besteuerungsrecht an den im Streitjahr vom Kläger vereinnahmten Pensionsleistungen Deutschland zustehe.
1. Das Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid war nicht gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen des Vorrangs eines Verfahrens der gesonderten und einheitlichen Feststellung (nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 5 Nr. 1 der Abgabenordnung) auszusetzen. Dass es sich bei den in Rede stehenden Ruhegeldern um nachträgliche gewerbliche Einnahmen des früheren Gesellschafters einer KG bzw. einer KGaA gehandelt hat, ändert daran nichts. Solche Einnahmen können grundsätzlich nicht (mehr) Gegenstand eines Feststellungsverfahrens sein, weil es an der Beteiligung mehrerer Personen an diesen Einkünften fehlt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. November 2010 I R 106/09, BFHE 231, 206, m.w.N.). Die vom FG aufgeworfene weitere –und umstrittene– Frage, ob Einkünfte des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA grundsätzlich nicht einheitlich und gesondert festzustellen sind (vgl. dazu Reichsfinanzhof, Urteil vom 4. Dezember 1929 VI A 1843/29, RStBl 1930, 345; FG Hamburg, Urteil vom 14. November 2002 V 231/99, EFG 2003, 711; FG München, Urteil vom 16. Januar 2003 7 K 5340/01, EFG 2003, 670; Schmidt/Wacker, EStG, 30. Aufl., § 15 Rz 891; anders z.B. Reiß in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 15 Rz 404; Glanegger, Deutsches Steuerrecht 2004, 1686), kann deswegen unbeantwortet bleiben (s. bereits Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881).
2. Das FA geht (mittlerweile) übereinstimmend mit dem Kläger davon aus, dass Letzterer im Streitjahr zwar in den USA ebenso wie in Deutschland –in der Wohnung seiner Ehefrau– einen Wohnsitz innehatte und deshalb hier wie dort unbeschränkt steuerpflichtig war (§ 1 Abs. 1 EStG 1997), dass er seinen Lebensmittelpunkt aber in den USA hatte und aufgrund der sog. Tie-breaker-rule in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA 1989 a.F. abkommensrechtlich als dort allein ansässig zu behandeln ist. Dem hat sich auch das FG angeschlossen und der Senat hat aufgrund der tatrichterlich getroffenen Feststellungen keinen Anlass, anderes anzunehmen.
3. Das FG hat die an den Kläger gezahlten Ruhegelder als nachträgliche Sondervergütungen behandelt, die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 und Satz 2 (i.V.m. § 24 Nr. 2) EStG 1997 den (nachträglichen) Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen und als solche gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1997 der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen sind; die Ruhegelder seien durch die KG bzw. –seit Juni 1985– die KGaA und damit durch eine Betriebsstätte, die im Inland unterhalten wurde, veranlasst worden (s. insoweit auch Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211). Der Senat hat keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Annahme zu zweifeln, und auch darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit.
4. FA und FG gehen jedoch fehl in der Annahme, dass die Ruhegelder in Deutschland besteuert werden durften. Vielmehr können sie nach Art. 18 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. als Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für frühere unselbständige Arbeit als Nutzungsberechtigter erzielt, nur in den USA besteuert werden.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 18 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. sind erfüllt. Der Kläger erhielt die Pensionsleistungen für seine frühere unselbständige Tätigkeit, die er gegenüber der KG bzw. der KGaA erbracht hat. Dass er zugleich deren persönlich haftender Gesellschafter gewesen ist, widerspricht dem nicht. Gleichwohl und unbeschadet dieser haftungsrechtlichen Stellung wird er als solcher nicht „originär“ (mit-)unternehmerisch tätig (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 I R 235/81, BFHE 145, 76, BStBl II 1986, 72; BFH-Urteil vom 28. November 2007 X R 6/05, BFHE 219, 329, BStBl II 2008, 363) und kann er der KGaA gegenüber aufgrund gesonderter arbeitsvertraglicher Beziehung tätig werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG 1997; dazu z.B. Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 15 Rz 891; s. auch BTDrucks 16/11108, S. 23 f. [zu § 50d Abs. 10 EStG 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 –EStG 2002 n.F.– ]). Davon ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls auszugehen.
b) Die (ggf. vorrangige) Annahme gewerblicher Gewinne eines Unternehmens i.S. von Art. 7 Abs. 1 DBA-USA 1989 a.F. (i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG 1997 und Art. 3 Abs. 2 DBA-USA 1989 a.F.) scheidet aus. Der Senat gibt dazu keine weitere Begründung; er begnügt sich, um Wiederholungen zu vermeiden, mit dem Verweis auf sein Urteil vom 8. September 2010 I R 74/09 (BFHE 231, 84, dort m.w.N.) zu einer im Kern gleichgelagerten Frage der abkommensrechtlichen Qualifizierung von Sondervergütungen i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1997. An dieser Rechtsprechung ist uneingeschränkt und entgegen der Verwaltungspraxis (s. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. April 2010, BStBl I 2010, 354, dort Tz. 2.2.1 und 5.1) und entgegen der früheren Spruchpraxis des Senats (z.B. –für die Besteuerung von Sondervergütungen des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA– im Urteil in BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211) festzuhalten. Weder die Vorinstanz noch die Revision haben (neue) Gesichtspunkte vorgebracht, die eine abermalige Überprüfung jener Einschätzung erzwängen.
5. Zu Unrecht haben FG und FA auch angenommen, eine Besteuerung auf § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. gründen zu können. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall nicht vor.
Nach § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. gelten Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz und Nr. 3 EStG 1997, auf welche die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind und für die das Abkommen keine ausdrückliche Regelung enthält, für Zwecke der Anwendung des Abkommens –und unbeschadet der danach vorzunehmenden Einkünftequalifizierung– ausschließlich als Unternehmensgewinne. Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 231, 84 sowie in seinem Beschluss in BFHE 231, 206 allerdings aufgezeigt, dass die tatbestandlichen Erfordernisse dieser Gesetzesfiktion in vielfacher Hinsicht zu kurz greifen, um eine unilaterale Umqualifizierung der abkommensrechtlich an sich gebotenen Einkünftequalifizierung zu erreichen. An dieser Spruchpraxis ist uneingeschränkt festzuhalten. Auch insoweit bringt das Vorbringen des FA in dessen Revisionserwiderung ebenso wie des FG im angefochtenen Urteil nichts Neues, das es rechtfertigen könnte, die vom Senat eingenommenen Positionen aufzugeben. Das gilt damit namentlich für solche Vergütungen, welche –wie vorliegend die an den Kläger geleisteten Ruhegelder aus seiner Tätigkeit für die KG bzw. die KGaA– als nachträgliche Einkünfte (§ 24 Nr. 2 EStG 1997) bezogen werden. Denn die tatbestandliche Erweiterung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG 1997 in § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 nimmt § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. nicht in seinen Tatbestand auf. Dessen hätte es jedoch bedurft, wäre solches beabsichtigt gewesen. Die Einordnung eines Ruhegeldes als Gewinnanteil in Form von Sondervergütungen verlangt prinzipiell, dass der Empfänger der Zahlung noch Gesellschafter der Personengesellschaft ist; ein ehemaliger Gesellschafter kann keine Gewinnanteile in Gestalt der Sondervergütungen mehr beziehen (BFH-Urteile vom 24. November 1983 IV R 14/83, BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431; vom 25. Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212). Ohne die –durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436) geschaffene– Geltungsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG 1997 können nachträgliche Vergütungen deshalb nicht als solche i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EStG 1997 angesehen oder ihnen gleichgestellt werden und läuft die Umqualifizierung in Sondervergütungen leer. In Konsequenz dieser Regelungslage scheitert auch die entsprechende, in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. angeordnete abkommensrechtliche Umqualifizierung der Vergütungen.
Dem lässt sich auch nicht mittels des vom FG und vom FA erwogenen Analogieschlusses abhelfen. Abgesehen davon, dass ein derartiger Schluss zu Lasten des Steuerpflichtigen wirken würde, was seinerseits grundsätzliche Bedenken aufwerfen kann (vgl. z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 362, m.w.N.), gibt § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. dazu keine Handhabe. § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F. bezieht sich exakt und differenziert auf die einschlägigen Regelungsbestandteile des § 15 Abs. 1 EStG 1997. Auf den Verweis auf Abs. 1 Satz 2 wird dabei verzichtet. Gerade weil die Einbeziehung nachträglicher Vergütungen in den Regelungsbereich des § 15 EStG 1997/2002 aber einer besonderen Anordnung bedarf und dies auch schon einmal Anlass zu einer entsprechenden gesetzlichen Nachbesserung gegeben hat, muss sonach angenommen werden oder ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber den Gesetzesverweis auf § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG 1997/2002 bewusst ausgespart hat (ebenso z.B. Franz/Voulon, Betriebs-Berater 2011, 1111; Hahn, jurisPR-SteuerR 14/2011 Anm. 2). Für eine Analogie ist angesichts dessen kein Raum.
6. Es bedarf nach allem keiner weiteren Überlegungen dazu, ob die rückwirkende Anwendung von § 50d Abs. 10 EStG 2002 n.F. nach § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 n.F. gegen das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Rechtsstaatsgebot verstößt (vgl. zu den Nachweisen Senatsurteil in BFHE 231, 84) oder ob die Neuregelung insgesamt als sog. Treaty override völker- und verfassungsrechtswidrig ist (s. auch dazu die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 231, 84).
7. Die Vorinstanz hat dieser Rechtsauffassung in mehrfacher Weise widersprochen. Ihr Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist antragsgemäß abzuändern. Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Betrages wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Kategorien: DBA
Schlagworte:Sondervergütungen, USA